Ein Orchester im Wandel: Wie der Betriebsrat nachhaltige Wege einschlägt
Zwischen Konzerttournee und Proberaum – auf der Suche nach Hebeln für einen klimafitten Kulturbetrieb
Der Arbeitsalltag eines Orchesters ist etwas Besonderes: Wer als Zuschauer:in im Saal Platz nimmt, sieht ein festlich gekleidetes Ensemble, das hochkonzentriert auf seinen Einsatz wartet. Was das Publikum jedoch weder sieht noch hört, ist die intensive Vorarbeit hinter den Kulissen – nicht nur musikalisch, sondern auch sozial.
Denn die über 90 Musiker:innen des Mozarteumorchesters Salzburg bilden auch abseits der Bühne ein eng abgestimmtes Kollektiv. Dazu gehören regelmäßige Proben und Auftritte ebenso wie das regelmäßige Reisen zu Auftritten im In- und Ausland. Damit all dies reibungslos funktioniert, müssen die unterschiedlichen Bedürfnisse der Ensemblemitglieder unter einen Hut gebracht werden.
Mit Plan und Struktur zu mehr Nachhaltigkeit
Als soziales Bindeglied fungiert dafür der Betriebsrat, zudem auch Gabriel Stiehler und Sasha Calin seit 2022 gehören. Für ihre Zeit im Betriebsrat haben sie sich viel vorgenommen. Eines ihrer Ziele: die klimaschädlichen Auswirkungen des Orchesterbetriebs zu verringern – und das ehrenamtlich, neben ihrer regulären Arbeit als Hornist und Oboistin.
Auch wenn der finanzielle Spielraum als Orchester von Stadt und Land Salzburg begrenzt ist, wollen sie trotzdem möglichst viel herausholen. Das zeigt das vom Betriebsrat erarbeitetes „Maßnahmenblatt Umweltschutz“, auf dem sie bereits einige Haken setzen können. Wie das Gelingen konnte und warum sie optimistisch an weiteren Vorhaben arbeiten, zeigt ein Blick auf das strukturierte Vorgehen, das im Zentrum ihrer Arbeit steht.
Soziale Themen als zentraler Hebel
Als sie 2022 ihre Tätigkeit als Betriebsräte aufnahmen, wurde auch Nachhaltigkeit sofort auf die Agenda gesetzt. „Wir haben im fünfköpfigen Gremium zwei Aufgabenbereiche für Bildung und Umwelt neu geschaffen. Gleichzeitig sollen sich aber trotzdem alle Betriebsräte für alle Aufgabenbereiche verantwortlich fühlen“, erklärt Sasha. Um effizient vorzugehen, wurden mögliche Maßnahmen in unterschiedliche Zeithorizonte unterteilt: Was lässt sich schnell umsetzen, wo braucht es weitere Überlegungen und wie binden wir die Kolleg:innen am besten ein? Eine hohe Sensibilisierung in Belegschaft und Management spielte ihnen dabei durchaus in die Karten.
Gleichzeitig war das Vorhaben im Rückblick auf die vergangenen drei Jahre eine große Herausforderung, die durchaus an die Substanz geht. „Als wir als Betriebsrat gestartet sind, hatte keines der Mitglieder Vorerfahrung, was den Einstieg ohne richtige Übergabe erschwerte und das Einarbeiten in alle Bereiche herausfordernd machte. Wir haben uns viele Ziele gesetzt und waren sehr motiviert, weil wir Vieles anpacken und verändern wollten“, erinnert sich Gabriel, der Betriebsratsvorsitzende.
Beteiligung mit digitalen Tools fördern
Im Vordergrund stehen für sie daher demokratische Teilhabe und die frühzeitige Einbindung der Kolleg:innen. Von Beginn an wurden zahlreiche Angebote geschaffen, die soziale und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbinden. Dazu gehören Maßnahmen zur körperlichen und psychischen Gesundheit sowie eine Umfrageplattform, die mehr Feedback und eine offene Kommunikation fördert.
Kurzfristige Fortschritte zeigen sich vor allem im Gebäude: Einsparungen und der Umstieg auf ökologische Betriebsmittel wie Reinigungsmittel, Druckerpapier beziehungsweise digitale Konzertkarten, LED-Beleuchtung mit Zeitschaltuhren sowie Recyclingmaßnahmen. Ergänzt wird dies durch regionale und vegetarische Essensangebote und den überbetrieblichen Austausch mit anderen klimabewussten Orchestern.
Es gibt spezifische Förderungen für „klimafitte Kulturbetriebe“. Gleichzeitig unterstützen informative Plattformen für den Kulturbranche (www.kulturklimafit.at) oder Leitfäden anderen Orchester eure Vorhaben (www.orchester-des-wandels.de).
Ausloten von sozial-ökologischen Kompromissen
Langfristig liegt ein großer Hebel vor allem im ökologischen Fußabdruck der Tourneeplanung. Zwar erfolgt das Pendeln zu Proberäumen und Konzertsälen in Salzburg meist klimafreundlich und viele Musiker:innen verzichten privat auf Flüge. Dennoch spielen die oft dicht getakteten Dienstreisen eine große Rolle. Der Betriebsrat ist dabei in einer Vermittlerposition – es gilt einen Kompromiss zwischen Auftrittsqualität, Bedürfnissen der Beschäftigten und klimafreundlicher Mobilität zu finden. Was braucht es für die Reise, was sei überhaupt realistisch?
Da es sich um einen zutiefst sozialen Faktor handelt, sucht der Betriebsrat bereits im Vorfeld den engen Austausch mit dem Management. „Unsere Dienstreisen mit dem Orchester sind immer kollektive Reisen, die von der Direktion in Absprache mit dem Betriebsrat organisiert werden“, erläutert Gabriel.
Als Betriebsrat müssen sie neben Nachhaltigkeitsaspekten auch die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Beschäftigten und Anforderungen im Blick behalten. Denn wer beispielsweise früh aufbricht, mehrere Züge nimmt und direkt nach der Ankunft ein Konzert spielen soll, hat kaum die Möglichkeit, den professionellen Anforderungen auf der Bühne gerecht zu werden.
Suche nach neuen Maßnahmen geht weiter
Mit Blick auf den selbst gesteckten „Maßnahmenplan Umweltschutz“ bleibt noch einiges zu tun – zugleich öffnen sich neue Möglichkeitsfenster. Das Orchestergebäude ist in die Jahre gekommen. PV-Anlage, thermische Sanierung, Elektrifizierung des Fuhrparks und Ladestellen für Mitarbeiter:innen sind bereits in Diskussion. „Am Ende geht es darum, die Modernisierung so zu gestalten, dass auch die Beschäftigten spürbar profitieren.“, ergänzt Sasha.
Und so denken sie als Betriebsrat schon weiter – ob mehr Unterstützung für Rad- und Bahnpendler:innen, Sonderkonzerte oder Spendenaktionen. Trotz begrenzter Mittel wollen sie mit viel Engagement auch im Kleinen Zeichen setzen. Sowohl im Probenraum als auch auf Tournee arbeiten sie Schritt für Schritt daran, eine kulturelle Institution musikalischer Exzellenz zu gestalten, die zugleich ökologisch nachhaltig ist.
1. Falls ihr euch alleine fühlt oder Ideen sucht: Tausch euch mit anderen Betriebsräten aus der Branche aus! Tipp: https://www.orchester-des-wandels.de/ (u.a. mit eigenen Nachhaltigkeitsleitfäden für Orchesterbetriebe).
2. Erstellt euch einen Maßnahmenplan und definiert zuständige Beauftragte - letztlich müssen alle Umweltaspekte im Blick behalten.
3. Beteilung ist wichtig & mit digitalen Tools einfach (z.B. Lime Survey) und effizient umsetzbar. Das fördert die Akzeptanz und sammelt Ideen für neue Projekte!