Zum Hauptinhalt wechseln

Pensionen

Die Wahrheit über das Pensionssplitting

Kommentar: Automatisches Pensionssplitting sei eine wirksame Maßnahme gegen Altersarmut von Frauen, wird gern behauptet. Expertinnen des ÖGB erklären, warum das nicht stimmt.

Die Übertragung von Kontogutschriften im Rahmen eines automatischen Pensionssplittings sei eine wirksame Maßnahme gegen Altersarmut von Frauen – behaupten jedenfalls BefürworterInnen. Das ist gleich aus mehreren Gründen falsch

Es ist sinnvoll, dass Armutsgefährdung anhand des Haushaltseinkommens berechnet wird. Durch ein automatisches Pensionssplitting ändert sich die Armutsgefährdung aber nicht, wenn die Elternbeziehung bis ins hohe Alter bestehen bleibt. In diesem Fall erhöht sich lediglich die Pension eines Partners, während die des anderen sinkt – das Familieneinkommen bleibt aber gleich. 

Auch bei einer Scheidung ändert das Pensionssplitting nicht automatisch etwas an der Altersarmut. Hat die Frau nur einen niedrigen Pensionsanspruch, dann kann das Pensionssplitting zu einer Erhöhung ihres Anspruches führen. Bleibt ihre Pension aber auch danach unter der Ausgleichszulage und sie alleinstehend, dann wird ihr Pensionsanspruch auf diese Einkommenshöhe, nämlich derzeit 1.217,96 Euro monatlich, aufgestockt. Die Folge: Ihr tatsächliches Einkommen bleibt gleich, der Anspruch des ehemaligen Partners sinkt aber. Es bekommt also zwar ein Partner weniger, der oder die andere aber nicht mehr. Gewonnen hat allein der Staat. 

Die Intention, niedrige Frauenpensionen zu erhöhen, ist absolut notwendig – im Schnitt liegen sie um 40 Prozent unter jenen der Männer. Das automatische Pensionssplitting erfüllt diesen Zweck aber erst in Jahrzehnten. Das von ÖGB und AK entwickelte Modell der verbesserten Anrechnung der Kindererziehungszeiten erhöht Frauenpensionen im Gegensatz dazu wesentlich schneller. Es ist dort nämlich auch ein Bonus für jene Elternteile vorgesehen, die in der Vergangenheit Kindererziehungszeiten erworben haben. 

Wechselnde Familienkonstellationen sind eine weitere offene Frage. Es ist zum Beispiel völlig unklar, wie das Pensionssplitting durchgeführt werden soll, wenn ein Mann in relativer kurzer Zeit mit zwei verschiedenen Frauen Kinder in die Welt setzt. Bekommen beide Frauen Teile der Pensionsgutschrift des Kindsvaters oder nur eine? Die nahezu gleiche Frage stellt sich natürlich auch im umgekehrten Fall, in dem eine Frau Kinder von verschiedenen Männern bekommt. Erhält sie Pensionsgutschriften von beiden oder nur von einem? Und was passiert, wenn der Vater krank oder arbeitslos wird? Es gibt keine Garantie auf sichere Arbeitsplätze oder gute Einkommen – haben die Frauen dann einfach Pech?

Natürlich muss das automatische Pensionssplitting geschlechtsneutral gestaltet sein. Verdient eine Frau besser als der Vater ihres Kindes, würde sie auch im Fall, dass sie die überwiegende Carearbeit leistet, durch das Pensionssplitting etwas „verlieren“, während er etwas „gewinnt“. Soll sie also trotz Mehrfachbelastung einen Teil ihrer Pension abgeben?

Das derzeitige freiwillige Pensionssplitting kann im Einzelfall Sinn ergeben, das automatische Pensionssplitting wirft aber viele Fragen auf. Es ist, auch nicht die Antwort auf den Kampf gegen Altersarmut von Frauen. Die Altersarmut erst in der Pension zu bekämpfen, ist außerdem viel zu spät. Maßnahmen zur Lohntransparenz, eine Neubewertung von Arbeit und ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 1. Geburtstag – das sind wichtige und wirkungsvolle Maßnahmen, wenn man diesen Kampf gewinnen will. 
 

Mag.a Dinah Djalinous-Glatz, Leiterin des Referats für Sozialpolitik des ÖGB

iInhaltliche Koordination im ÖGB-Präsidentenbüro
Elisabeth Mandl

Mag.a Karin Zimmerman, ÖGB Bundesfrauensekretärin

Bleib informiert über deine Arbeitswelt!
Jeden Freitag: Das Wichtigste aus einer Woche