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ÖGB Archiv

Im Jahr 2003 wehrten sich bei Streiks und Demonstrationen GewerkschafterInnen gegen Verschlechterungen in den Pensionsregelungen

Pensionen

„So san die Emanzen“

Eine kleine Geschichte zum großen Gender Pension Gap

41,1 Prozent beträgt der sogenannte Gender Pension Gap, also die geschlechtsspezifische Pensionslücke, im Jahr 2021 in Österreich. Das bedeutet: Frauen erhalten im Schnitt nur 59 Prozent der durchschnittlichen Männerpension. Die Gründe dafür sind einfach: Frauen verdienen während ihres Erwerbslebens im Durchschnitt 450.000 Euro weniger als Männer und arbeiten oft in Teilzeit. Somit erwartet sie am Ende des Arbeitslebens öfter die Altersarmut als Männer. Dabei ist die Situation heutzutage wesentlich besser als noch Mitte des 19. Jahrhunderts, denn die Frauen mussten sich ihre Pensionsansprüche erst erkämpfen.

Männerpensionen

Die Regentin Maria Theresia führte 1749/1750 den Pensionsfonds für Offiziere und für Beamte sowie deren Hinterbliebene ein. Im Jahr 1889 erging das Bruderladengesetz, das auch die Invaliden- und Witwenpension für Bergleute enthielt. Männer hatten allerdings erst dann Anspruch auf Pension, wenn sie invalid (arbeitsunfähig) wurden.

Postmanipulantinnen 

Die Männerbastion in den Ämtern fiel im Jahr 1874 durch einen Erlass des Handelsministeriums. In Stadtpostämtern durften Postmanipulantinnen „verwendet“ werden, zu niedrigerem Lohn und ohne Anspruch auf „bleibende Versorgung aus dem Staatsschatz“. Gleiches galt auch für die Frauen, die ab 1883 bei der Staatsbahn arbeiteten. Erst im Jahr 1893 gewährte der Staat Frauen die Möglichkeit, freiwillig 14 Prozent ihres Gehalts in einen Pensionsfonds einzuzahlen. Auf die Kritik, dass sich Frauen ob ihres geringen Einkommens die hohen Beiträge nicht leisten konnten antwortete der Staat mit Disziplinarverfahren und Androhung von Entlassung.

Die Lage der Staatsarbeiterinnen verbesserte sich aber mit den von Frauen gegründeten Gewerkschaften.

ArbeiterInnen erhielten während der Ersten Republik keine Pension.
ArbeiterInnen erhielten während der Ersten Republik keine Pension.

Geistige Leistungen

Ganz anderen Herausforderungen standen den Frauen im Jahr 1906, nach der gesetzlichen Regelung „der Pensionsversicherung, der in privaten und einigen öffentlichen Diensten stehenden Angestellten“ gegenüber. Das Gesetz orientierte sich schon damals an männlichen Erwerbsbiografien und enthielt Paragrafen, die Frauen ausschloss. Denn nur wer „ausschließlich oder vorwiegend geistige Dienstleistungen“ verrichtete, Monatslohn erhielt und im Jahr mehr als 600 Kronen (rund 3000 Euro) verdiente, durfte versichert werden. Für einen Großteil der Frauen traf das nicht zu. 

Das Gesetz legte aber auch erstmals das unterschiedliche Pensionsantrittsalter von Frauen und Männern fest. Die Gründe dafür waren, dass Frauen ob der Mehrfachbelastung früher invalid werden und dass bei Frauen, im Gegensatz zu Männern, damals keine Hinterbliebenenleistungen anfielen.

Erst mit dem Angestelltenversicherungsgesetz vom 29. Dezember 1926 wurde der Kreis der Versicherungspflichtigen erweitert. Aber da Frauen bis zu 75 Prozent weniger verdienten als ihre männlichen Kollegen, erhielten sie auch weniger Pension und somit entstand schon damals Altersarmut.

Altersversicherung für ArbeiterInnen

Während der Ersten Republik sollten auch ArbeiterInnen erstmals in eine Alters- und Invalidenversicherung einbezahlen können. Allerdings enthielt das Arbeitsversicherungsgesetz vom 1. April 1927 – ein Schelm, wer Böses denkt – eine seltsame Regelung: die Wohlstandsklausel. Erst wenn es durchschnittlich weniger als 100.000 Arbeitslose gäbe, würde die Altersversicherung in Kraft treten. Dies geschah während der Ersten Republik und des Austrofaschismus nie.

Zweite Republik

Der Nationalrat verabschiedete im Jahr 1947 das Sozialversicherungs-Überleitungsgesetz und ursprünglich sollte das Pensionsantrittsalter für Männer und Frauen auf 60 Jahre festgelegt werden. Aber die Staatskassen waren leer und so wurde das Antrittsalter nur für Frauen gesenkt. Dieser Fünfjahresunterschied wurde in allen pensionsrelevanten Gesetzen weiter übernommen, bis der Verfassungsgerichtshof am 6. Dezember 1990 das Erkenntnis veröffentlichte, dass die geschlechtsspezifischen Regelungen des Pensionsanfallsalters dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz widersprechen.

Beim ÖGB-Frauenkongress im Jänner 1991 übergab die scheidende ÖGB-Frauenvorsitzende Hilde Seiler Bundeskanzler Franz Vranitzky 70.322 von Frauen unterschriebene Postkarten. Die Nachricht darauf war: Keine Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters.

Gleichbehandlungspaket

Dieses Erkenntnis löste bei politischen und gewerkschaftlichen Frauenorganisationen Kritik und Ablehnung aus. An den Stammtischen hörte man allerdings: „So san die Emanzen. Da wollens` immer Gleichberechtigung der Frau. Aber früher in Pension gehen können als wir, das ja". Von der Pensionslücke von über 50 Prozent sprach aber noch kaum jemand. 

Zwei Jahre lang kämpften ÖGB-Frauen, die Frauenministerin Johanna Dohnal und Abgeordnete der ÖVP, SPÖ und Grünen, um das Gleichbehandlungspaket abzuschließen. Im Gegenzug zur Umsetzung von frauenpolitischen Forderungen wird das Frauenpensionsantrittsalter ab 1. Jänner 2024 schrittweise dem der Männer angepasst. Bis dahin sollten alle bestehenden gesellschaftlichen, familiären, wirtschaftlichen Benachteiligungen der Frauen abgebaut sein.

Die Pensionsreform im Zuge des Gleichbehandlungspakets brachte auch, dass seit dem Jahr 1991  Kindererziehungszeiten für die Pension angerechnet werden – und insgesamt einen Pensionszuwachs für Frauen von acht Prozent. Trotzdem blieb die Pensionsschere weit offen. Im Jahr 1994 erhielten Männer 15.972 Schilling, Frauen 6.193 pro Monat.

Pensionsreform 2000/2003

Das Sozialabbauprogramm der schwarz-blauen Regierung beinhaltete auch eine Pensionsreform, die Frauen stark betraf. Trotz massiver Proteste, Demonstrationen und Streiks beschloss die Regierung im Jahr 2000 u. a.  Kürzungen bei Witwenpensionen bzw. Witwerpensionen und Verschärfungen bei Frühpensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Im Jahr 2003 folgten die schrittweise Ausweitung des Bemessungszeitraums von den bisher 15 besten Jahren auf 40 Jahre, höhere Abschläge bei Frühpensionen und die Abschaffung der vorzeitigen Alterspensionen wegen langer Arbeitslosigkeit – Letzteres betraf zu 90 Prozent Frauen.  

Kontoerstgutschrift

Mit der Kontoerstgutschrift ab 2014 wurden die Pensionsansprüche, die man bis Ende 2013 erworben hat, abgerechnet und die Versicherten wurden über das Ergebnis durch einen Brief ihres Pensionsversicherungsträgers informiert. Seit 2014 kommt das Pensionskontorecht zur Anwendung (Näheres zur Pensionsberechnung in der ÖGB Broschüre „Was Sie unbedingt über die Pension wissen sollten. Im System des Pensionskontos werden Kindererziehungszeiten, die für Frauen besonders relevant sind, bis zum vierten Lebensjahr des Kindes mit einer monatlichen Bemessungsgrundlage von 1.922,59 € bewertet. Um den derzeitigen Gender Pension Gap von 41,1 Prozent zu reduzieren, fordern die ÖGB Frauen als ersten Schritt eine Verbesserung der Kindererziehungszeiten.

 

 

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