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Wie aus dem halben ein gan­zer Nationalfeiertag wurde

Den ersten Nationalfeiertag im Jahre 1965 feierten eigentlich nur PolitikerInnen. ArbeiterInnen und Angestellte mussten ganz normal arbeiten. Erst auf Druck des ÖGB gelang es zwei Jahre später, den Nationalfeiertag zu einem Feiertag für alle zu machen – arbeitsfrei und bezahlt.

“Frauen und Männer, die ihr wie jeden Tag eurer Arbeit nachgeht, (…), ihr habt gehört, dass Österreich heute seinen Nationalfeiertag hat, (…), aber man hat euch keine Gelegenheit gegeben mitzufeiern“, stand am 26. Oktober 1965, dem ersten Nationalfeiertag in den Zeitungen zu lesen. Die Regierung hatte beschlossen den 26. Oktober als Nationalfeiertag festzulegen, als Gedenktag an den letzten abgezogenen Soldaten der Alliierten und an die Verabschiedung des Verfassungsgesetzes über die immerwährende Neutralität.

Aber der 26. Oktober 1965 war nur ein halber Feiertag. Frei hatten nur bestimmte BeamtInnen im öffentlichen Dienst und Beschäftigte im gemeinwirtschaftlichen Sektor, die Schule begann später als üblich. Alle anderen ArbeitnehmerInnen mussten arbeiten und durften nur mit Einverständnis der UnternehmerInnen den Festakt im Parlament im Fernsehen oder im Radio verfolgen.

ÖVP-Regierung wollte einen halben Feiertag

Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) sah keinen Grund für bezahlte, ganztägige Arbeitsruhe, ginge es doch beim Nationalfeiertag nicht um den materiellen Vorteil, sondern einzig im ideellen Gewinn liege die Bedeutung dieses Tages. Die ÖVP-Regierung schlug vor, einen halben Tag arbeitsfrei zu geben oder den Nationalfeiertag gegen einen kirchlichen Feiertag einzutauschen. Sie entsandte sogar ein Regierungsmitglied in den Vatikan. Dieser kehrte erwartungsgemäß mit einer abschlägigen Antwort zurück. Auf die Idee des halben Feiertages griff auch die schwarz-blaue Regierung im Jahr 2019 bei der Diskussion um den arbeitsfreien Karfreitag zurück.

UnternehmerInnen schlugen unbezahlten Feiertag vor

Die UnternehmerInnen sagten 2019 wie 1965, sie könnten sich keinen weiteren Feiertag leisten, der Nationalfeiertag könne zwar arbeitsfrei sein, aber bliebe unbezahlt. Der ÖGB konnte dieser Forderung nicht zustimmen. Die Erinnerungen an die Auswirkungen von unbezahlten Feiertagen während der Monarchie und des Austrofaschimus waren noch wach. Damals galten Feiertage als Hungertage.

ArbeitnehmerInnen machten Druck

Der Arbeiterkammerpräsident und Vorsitzende der Gewerkschaft der Chemiearbeiter, Wilhelm Hrdlitschka, machte in Zeitungsartikeln und Radioansprachen klar: „Die Arbeiterkammern und der ÖGB haben wiederholt und einstimmig gefordert, dass der Nationalfeiertag ganztägig arbeitsfrei und bezahlt ist.“ Er warnte die ÖVP-Alleinregierung aber auch, sollten sie eine gegenteilige Entscheidung treffen, könnte dies leicht zu Konflikten führen. Betriebsratskörperschaften formulierten schon Petitionen und verschickten sie an die Regierung und die Bundesministerin für soziale Verwaltung, Grete Rehor (ÖVP). Der Druck machte sich bezahlt.

Arbeiterkammerpräsident und Vorsitzende der Gewerkschaft der Chemiearbeiter, Wilhelm Hrdlitschka

Ganztägiger Feiertag dank Arbeiterkammer und ÖGB

Am 26. Oktober 1966, einem Mittwoch, hatten fast alle ArbeitnehmerInnen einen bezahlten ganztägigen Feiertag – möglich geworden durch ein hastig gebasteltes Provisorium, das ganz unösterreichisch nicht ewig währte, sondern nur sieben Monate. Genauer bis zum 28. Juni 1967, als der Nationalrat die Änderung des Feiertagsgesetzes beschloss. Hrdlitschka sagte dazu: „Jetzt ist es soweit, der Nationalfeiertag wird tatsächlich ein Feiertag und diesen Erfolg verdanken wir, das kann ohne Überheblichkeit gesagt werden, nicht zuletzt den Bemühungen der Arbeiterkammer und des ÖGB.“

Radiobeitrag zum Nationalfeiertag aus dem Jahr 1967: