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Junge Leute, geboren Ende der 1990er, haben sich den Spruch „Arbeiten, um zu leben – und nicht leben, um zu arbeiten“ zum Lebensmotto gemacht. Überstunden und Aufopferung für den Job kommen für sie nicht infrage. Jacob Lund Photography

Arbeitsmarkt

Arbeitgeber werden tanzen müssen

Jede Generation hat andere Prioritäten bei Beruf und Ausbildung. Betriebe, die auf die Bedürfnisse der Generation Z eingehen, also jener jungen Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind, können davon profitieren und müssen keinen Fachkräftemangel fürchten.

Wir waren alle mal jung. Und doch liegen die Prioritäten jeder Generation woanders. Die Babyboomer profitierten von Wirtschaftsaufschwung und sinkenden Arbeitslosenzahlen. Sie identifizierten sich sehr mit ihrer Arbeit und verbrachten oft ihr ganzes Leben bei ein und demselben Arbeitgeber. Leistungsbereitschaft war nicht nur selbstverständlich, sondern wurde von manchen Arbeitgebern mit Selbstaufgabe gleichgesetzt. Der Workaholic war geboren. 

Die zwischen 1981 und 1998 geborenen Millennials hatten es schon schwerer: Steigende Arbeitslosenquoten, Wirtschaftskrisen und die Entstehung von Gratis-Praktika und Niedriglohnbranchen trugen massiv zur Ausbeutung bei. Arbeit wird immer öfter nach Hause oder in den Urlaub mitgenommen.

Beim Gedanken an diese Arbeitsbedingungen wird womöglich nicht nur der aktuellen Generation Z übel. Doch speziell junge Leute, geboren Ende der 1990er, haben sich den Spruch „Arbeiten, um zu leben – und nicht leben, um zu arbeiten“ zum Lebensmotto gemacht. Überstunden und Aufopferung für den Job kommen für sie nicht infrage, stattdessen liegt eine gute Work-Life-Balance hoch im Kurs. Genügend Freizeit und Flexibilität sind für sie nicht nur eine Option, sondern quasi Voraussetzung, um einen Job anzunehmen. Das zwingt auch Betriebe zum Umdenken.

„Arbeiten steht nicht an erster Stelle“

Jelena Gusel ist 22 und studiert Politikwissenschaft an der Uni Wien. Sie hat den Großteil ihres Arbeitslebens zwar noch vor sich, was ihr dabei wichtig ist, weiß sie aber jetzt schon sehr genau.
Jelena Gusel, Studentin, ist Verfechterin der 4-Tage-Woche
„Ich bin eine Verfechterin der 4-Tage-Woche“, sagt Jelena Gusel. Mit konkreten Erwartungen an Arbeitgeber tritt die junge Generation Z sehr selbstbewusst auf. Elisabeth Mandl
Wie stellst du dir dein zukünftiges Arbeitsleben vor?
Arbeit ist notwendig, damit ich mein Leben so gestalten kann, wie ich möchte. Ich reise zum Beispiel gerne, dafür brauche ich Geld. Arbeiten steht aber nicht an erster Stelle im Leben.
Was muss ein Arbeitgeber bieten, damit er für dich attraktiv ist?
Ein gutes Arbeitsklima, Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten, respektvoller Umgang, Wertschätzung, Weiterentwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. 
Ich bin aber auch eine Verfechterin der 4-Tage-Woche bei circa 30 bis 35 Stunden pro Woche, und Flexibilität wäre mir auch wichtig. Der eine beginnt zum Beispiel später, weil er Betreuungspflichten hat, und die andere geht früher, weil sie noch eine Weiterbildung macht oder einem Hobby nachgeht.
Was willst du in deinem zukünftigen Arbeitsleben gar nicht haben?
Das Schlimmste für mich wäre, wenn ich in der Früh aufstehe, nicht in die Arbeit gehen will, aber auch nicht kündigen kann, weil ich abhängig bin von dem einen Job.

Traumjob: Wohlfühlen und genug Freizeit

Die Studie „Junge Deutsche 2019“ hat untersucht, wie die 14- bis 39-Jährigen ticken und was für sie gute Arbeit ist. Die wichtigsten Werte der Generation Z und der Millennials sind Gesundheit und Freiheit. Elementar für einen guten Job ist den Jungen eine gute Arbeitsatmosphäre sowie die gute Balance von Arbeit und Freizeit. Auch in Österreich fordern immer mehr Junge kürzere Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und gute Bezahlung. Mit diesen Erwartungen an Arbeitgeber tritt die junge Generation auch sehr selbstbewusst auf. 

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Quelle: Studie „Junge Deutsche 2019“ ÖGB

Betriebe, die auf diese Bedürfnisse eingehen, haben kein oder zumindest deutlich weniger Probleme mit Personalmangel, sagt ÖGB-Arbeitsmarktexpertin Sylvia Ledwinka: „Es geht darum, die Löhne und Gehälter zu erhöhen, attraktive und planbare Arbeitszeiten anzubieten sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Außerdem geht es um Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, mehr Freizeit und – wenn Arbeitgeber junge Menschen von einem Job in einem anderen Bundesland überzeugen wollen – auch um leistbares Wohnen.“ Die Betriebe, die das schon erkannt haben, kennen kein Rekrutierungsproblem, berichtet die Arbeitsmarktexpertin.

Immer mehr kündigen freiwillig

„Great Resignation“ ist das Schlagwort für ein aktuelles Massenphänomen in den USA. Beschrieben wird damit die Beobachtung, dass immer mehr Menschen ihren Job freiwillig kündigen, gleichzeitig die Zahl an offenen Stellen aber steigt. Die Ursache: ein Umdenken der Beschäftigten, die unter ständigem Arbeitsdruck leiden, von ihren schlecht bezahlten Jobs enttäuscht sind und sich die Ungerechtigkeit in Wirtschaft und Arbeitsmarkt nicht länger gefallen lassen wollen. 

„Wir arbeiten, weil wir müssen“  

Der ideale Job soll für Miran Khan (25) aber sinnstiftend, sicher und flexibel sein. 
Arbeit soll sinnstiftend und flexibel sein. Dass seine Generation zu viel fordert, glaubt Miran Khan nicht.
Sinnstiftend und flexibel: Dass seine Generation zu viel fordert, glaubt Miran Khan nicht. Elisabeth Mandl
Mit 25 schafft Miran den Berufseinstieg mit fixer Anstellung in einem Büro. Freilich hat er während seines Studiums der Volkswirtschaft, das er bald beenden wird, schon gearbeitet – unter anderem als Garderobier im Casino oder als Rechercheur auf Honorarnotenbasis. Die größte Umstellung für ihn „wird die Routine sein, die man nicht kennt.“
 Man erledigt Aufgaben nicht nur theoretisch, sondern praktisch. Gewinnbringend wäre für ihn ein „Mentor, der einen am Anfang einschult. Jemand, der schon länger im Unternehmen ist, ähnliche Aufgaben hat und das gerne macht.“
 
Arbeit generell sieht er pragmatisch: „Die meisten Leute arbeiten, weil sie Geld verdienen müssen. Auch ich bin bereit, einen Job zu machen, den ich nicht unbedingt mag. Aber ideal ist natürlich, wenn man beides vereint: ein ordentliches Einkommen und eine ansprechende Tätigkeit.“ Generell seien seiner Generation sinnstiftende Jobs wichtig. Auch Flexibilität und Sicherheit sind wesentliche Faktoren. Junge Leute haben Angst, schnell gekündigt zu werden, weil man mangels Erfahrung ersetzbarer sei als ältere. Gleichzeitig sei Abwechslung im Job etwas, das hoch im Kurs stehe.
 
Dass seine Generation zu viel fordere, glaubt er nicht. Denn humanere Arbeitsbedingungen zu wollen, könne nie überzogen sein, so Miran: „Arbeitszeitverkürzung zu fordern, ist nicht übertrieben, wenn wissenschaftliche Daten belegen, dass diese zu gleicher Produktivität und mehr Motivation der MitarbeiterInnen führt.“

Ähnlich ist es offenbar auch in Österreich. Immer mehr Menschen denken auch hier über eine berufliche Veränderung nach. Nirgends sind es aber so viele wie im Tourismus- und Gastronomiebereich: Vier von zehn Beschäftigten überlegen, ihren Beruf oder zumindest ihren Arbeitgeber zu wechseln. Die Gründe sind bekannt: unregelmäßige Dienste, Schichtarbeit, schlechte Bezahlung, fehlende Wertschätzung. Das zeigt die aktuelle Auswertung des Österreichischen Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich. 

AMS-Chef Johannes Kopf sieht hier Handlungsbedarf bei den Arbeitgebern. Im Interview mit dem Magazin „News“ sagt er, der Arbeitskräftemangel liege nicht an der „sozialen Hängematte“, wie oft behauptet, sondern daran, dass die Chefs in Tourismusbetrieben raus aus der „mentalen Hängematte“ müssten. Die Arbeitgeber waren verwöhnt und müssen nun lernen, sich um MitarbeiterInnen zu bemühen.

Schlechte Arbeitsbedingungen als Grund für Jobwechsel

Wechseln will immer jemand, meist sind es junge Menschen und höher Qualifizierte, die sich gute Chancen am Arbeitsmarkt ausrechnen und daher ihre Jobs kündigen. Dieser Zusammenhang hat sich in der Pandemie aber halbiert. Immer mehr Beschäftigte planen, den Job zu wechseln, auch wenn sie keine guten Chancen am Arbeitsmarkt haben. Entscheidend sind die schlechten Arbeitsbedingungen, die sich viele nicht mehr gefallen lassen wollen.

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Sie informieren sich vorwiegend online. Arbeitgeber sollten das bedenken. ÖGB

So auch im Pflege- und Gesundheitsbereich: Bis 2030 werden rund 70.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Unattraktive Arbeitsbedingungen in der Branche sind die Ursache für die hohen Kündigungsraten. Es geht um Überlastung, zu wenig Personal und zu wenig Freizeit. „Wenn Unternehmen klagen, dass sie keine geeigneten Fachkräfte finden, müssen sie die Gründe dafür im eigenen Haus suchen“, betont auch ÖGB-Arbeitsmarktexpertin Sylvia Ledwinka. „Gleichzeitig müsste die Politik gegensteuern und in die richtigen Ausbildungen investieren, zum Beispiel in zusätzliche Ausbildungsplätze für die Pflege, und mehr Geld für die Weiterqualifizierung von Arbeitslosen zur Verfügung stellen.“

Gute Zeiten für Jobsuchende?

Wenn Arbeitgeber in Zukunft gute MitarbeiterInnen haben wollen, müssen sie „ordentlich tanzen“, sagt AMS-Chef Kopf im „News“-Interview. Ein durchschnittliches Dienstverhältnis in Österreich dauert heute nur mehr zwei Jahre. Wer seine Arbeitsbedingungen satt hat, kündigt leichter und sucht sich eher einen Job, der seinen Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht – gute Bezahlung, kürzere Arbeitszeiten, mehr Freizeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie gute Arbeitsatmosphäre. Die Bereitschaft der Arbeitgeber, das anzubieten, muss also dringend steigen, denn die Zahl der ArbeitnehmerInnen, die sich ihren Job aussuchen können und das auch tun, steigt.

„Ein tolles Team und Freude beim Arbeiten!“

Die Vorarlbergerin Alissa Förster (17) macht eine Ausbildung zur Maschinenbautechnikerin.
Alissa Förster ist Lehrling in der ÖBB Lehrwerkstätte in Vorarlberg
Alissa Förster fühlt sich wohl und wertgeschätzt im Job – und das ist ihr sehr wichtig. Philipp Vondrak
An meiner Ausbildung mag ich …
Dass sie abwechslungsreich ist und wir viel lernen! 
 
Gibt es etwas, was in der Ausbildung nicht gelehrt wird, aber jeder Lehrling lernen sollte?
Momentan wird uns alles Mögliche über den Beruf beigebracht. Man lernt viel, aber man überfordert uns nicht. Und so ist es toll!
 
Auf die Nerven geht mir …
Auf die Nerven geht mir tatsächlich gar nichts. Ich fühle mich hier bei den ÖBB sehr wohl.
So stelle ich mir mein zukünftiges Arbeitsleben vor …
Darüber habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Aber am besten ist es so wie jetzt: ein tolles Team und Freude beim Arbeiten!
 
Das erwarte ich mir von einem zukünftigen idealen Arbeitgeber …
Dass ich grundsätzlich die Möglichkeit habe, mich weiterzubilden, das wäre mir sehr wichtig!
 
Das wünsche ich mir …
Dass alle meine Kollegen aus meinem Lehrjahr weiter toll arbeiten und auch weiter eine große Freude haben, so wie ich!
 
Alissa Förster wohnt in Bludenz und ist aktuell im 1. Lehrjahr zur Maschinenbautechnikerin bei den ÖBB.

 

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