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In den nächsten Jahren gehen hunderttausende Beschäftigte in Pension und zu wenige rücken nach. Qualifizierung und gute Arbeitsbedingungen können gegenwirken und den Arbeitsmarkt stabilisieren. Nichtstun wird hingegen teuer. MonkeyBusiness stock.adobe.com

Arbeitsmarkt unter Druck

Fachkräftebedarf: Wer heute nicht ausbildet, zahlt morgen doppelt

Bis zu 51.000 Fachkräfte könnten bald fehlen. Studien zeigen klar: Qualifizierung wirkt, Nicht-Handeln wird teuer

Das Wichtigste in Kürze

  • In den nächsten Jahren gehen hunderttausende Beschäftigte in Pension und zu wenige rücken nach
  • Besonders betroffen sind Berufe mit Lehre und mittlerer Qualifikation
  • Nicht-Handeln verschärft den Druck auf Arbeitnehmer:innen und schwächt die Wirtschaft
  • Qualifizierung und gute Arbeitsbedingungen können gegenwirken und den Arbeitsmarkt stabilisieren

  

 

Der österreichische Arbeitsmarkt steht vor großen Veränderungen. Hunderttausende Beschäftigte gehen in den nächsten Jahren in Pension. Gleichzeitig rücken zu wenige junge Menschen nach. Besonders betroffen sind Berufe mit Lehre und mittlerer Qualifikation – also genau jene Jobs, die unser Land am Laufen halten. 

Forschungsergebnisse von WIFO und IHS zeigen klar: Nicht-Handeln kostet Arbeitsplätze, Wohlstand und gute Arbeitsbedingungen. Doch es gibt Alternativen. Qualifizierung, gute Arbeit und faire Rahmenbedingungen können den Arbeitsmarkt stabilisieren. Der ÖGB zeigt, was jetzt nötig ist. 

Hunderttausende gehen – zu wenige kommen nach 

Der demografische Wandel trifft den Arbeitsmarkt mit voller Wucht. Aktuell sind 686.200 unselbständig Beschäftigte über 55 Jahre alt. Viele von ihnen arbeiten in systemrelevanten Bereichen wie Pflege, Handel, Verkehr, Energieversorgung oder öffentlicher Verwaltung. 

In den nächsten fünf bis zehn Jahren scheiden diese Menschen aus dem Arbeitsmarkt aus. Gleichzeitig sind die nachrückenden Jahrgänge deutlich kleiner. Besonders problematisch ist das im mittleren Qualifikationssegment, also bei Menschen mit Lehrabschluss. 

Ohne Gegenmaßnahmen entsteht bis 2029 eine Lücke von rund 51.000 Fachkräften. Diese Lücke ist kein Naturgesetz – sie ist politisch gemacht durch jahrelanges Wegschauen. 

Wer heute nicht in Ausbildung und gute Arbeit investiert, zahlt morgen doppelt – mit schlechteren Arbeitsbedingungen und wirtschaftlichen Verlusten. 

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Das Wichtigste auf einen Blick

Unterschätztes Potenzial: Warum Alter kein Hindernis ist 

Studien zeigen: Die subjektive Beschäftigungsfähigkeit – also das Gefühl, noch einen Job finden oder behalten zu können – sinkt mit dem Alter. 

Überraschend ist aber: Beim Erreichen des Pensionsalters steigt dieses Gefühl plötzlich an. Viele Menschen trauen sich nach der Pension wieder zu, zu arbeiten. Besonders dann, wenn sie gesund sind, eine gute Ausbildung haben und freiwillig arbeiten können. 

Ältere Menschen sind also kein Problem für den Arbeitsmarkt. Sie sind ein Potenzial – wenn die Bedingungen stimmen. 

Arbeiten bis 67? Ohne gute Arbeit ist das ein leeres Versprechen

Immer öfter wird gefordert, Menschen sollen länger arbeiten. Doch diese Debatte greift zu kurz. Denn die entscheidende Frage lautet nicht: Wie lange sollen Menschen arbeiten? 
Sondern: Unter welchen Bedingungen können sie arbeiten?

Studien zeigen: Viele Menschen fühlen sich nach der Pension wieder beschäftigungsfähig. Aber nur dann, wenn sie gesund sind, eine gute Ausbildung haben und freiwillig arbeiten können.

Wer jahrelang unter hohem Druck gearbeitet hat, wer körperlich belastet ist oder keine Weiterbildung bekommen hat, kann nicht einfach länger arbeiten.

Der ÖGB lehnt Altersdruck ab. Was wir brauchen, sind: gesunde Arbeitsplätze, faire Arbeitszeiten, echte Weiterbildungschancen.

Länger arbeiten darf kein Zwang sein. Es muss eine Option sein – unter guten Bedingungen.

Nicht-Handeln kostet 

Wenn Politik und Unternehmen nichts tun, hat das konkrete Folgen: 

  • Schlechtere Arbeitsbedingungen für jene, die bleiben 
  • Mehr Überstunden und Stress 
  • Gefahr für kritische Infrastruktur 
  • Geringeres Wirtschaftswachstum 

Konkret bedeutet das: Bis 2029 wäre das Bruttoinlandsprodukt um 0,5 Prozent niedriger, wenn die Fachkräftelücke nicht geschlossen wird. Nicht-Handeln ist also teuer – für Beschäftigte und für die gesamte Gesellschaft. 

Qualifizierung würde tatsächlich helfen 

Würde man 40.000 unselbständig Beschäftigte mit maximal Pflichtschulabschluss auf Lehrniveau hochqualifizieren, hätte das sogar positive Auswirkungen. Kumuliert bis 2029 wäre das Bruttoinlandsprodukt sogar um 0,1 Prozent höher. 

Der ÖGB fordert einen Kurswechsel: 

  • Aktivierung ungenutzter Arbeitskräfte im erwerbsfähigen Alter 
  • Recht auf Weiterbildung für alle Arbeitnehmer:innen 
  • Existenzsicherung während Ausbildung, damit Lernen kein Armutsrisiko ist 
  • Teilzeit- und niederschwellige Ausbildungsangebote 
  • Gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen, damit Menschen länger arbeiten können 
  • Keine Altersdiskriminierung, sondern altersgerechte Arbeit 

Warum Qualifizierung billiger ist als Fachkräftemangel

Oft heißt es, Weiterbildung sei zu teuer. Die aktuellen Zahlen zeigen das Gegenteil.

Wenn ausscheidende Fachkräfte nicht ersetzt werden, fehlen bis 2029 bis zu 51.000 Arbeitskräfte im mittleren Qualifikationssegment. Die Folge: geringeres Wachstum und höhere Belastung für Beschäftigte.

Ein anderes Szenario zeigt: Wenn 40.000 Menschen mit niedriger formaler Ausbildung gezielt auf Lehrniveau qualifiziert werden, steigt die Wirtschaftsleistung.

Qualifizierung kostet Geld – ja. Aber Fachkräftemangel kostet mehr.

Damit Weiterbildung funktioniert, braucht es:

  • finanzielle Absicherung
  • Zeit zum Lernen
  • Angebote, die zur Lebensrealität passen

Der ÖGB fordert daher: Qualifizierung muss ein Recht sein – kein Luxus.

Der Arbeitsmarkt steht an einem Wendepunkt 

Demografischer Wandel und Arbeitskräftebedarf sind Realität. Doch die Fakten liegen auf dem Tisch. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, zahlen die gesamte Wirtschaft und die Arbeitnehmer:innen den Preis – mit mehr Druck, schlechteren Arbeitsbedingungen und unsicheren Perspektiven. 

Der ÖGB steht für einen anderen Weg: Qualifizierung, gute Arbeit und soziale Sicherheit. Nicht als Schlagworte, sondern als konkrete politische Entscheidungen. Der Arbeitsmarkt der Zukunft entsteht nicht von selbst. Er wird gemacht mit Fairness, Planung und Investitionen in Menschen.