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Eleonora Hostasch beim ÖGB-Frauenkongress 1987
Eleonora Hostasch beim ÖGB-Frauenkongress 1987 ÖGB

Eleonora Hostasch

Über Eleonora Hostasch ist viel geschrieben worden. Etwa, dass sie ihrer Sache immer treu bleibe, die fleischgewordene Sozialpartnerschaft, eine bewährte Frau für heikle Fälle oder eine Gewerkschafterin mit Leib und Seele sei, sie einen gesunden Schmäh und viel Sachverstand habe.

Sie ist aber noch viel mehr, sie ist eine Pionierin. Hostasch war die erste Frau als Gewerkschaftsvorsitzende (1989, GPA) und Arbeiterkammerpräsidentin (1994). 1997 wurde sie Sozialministerin.

Über sich selbst sagt Hostasch, dass sie immer nach dem Credo „der Mensch muss im Mittelpunkt stehen“ gehandelt habe und Vorbilder hatte. Zwei davon waren alleinerziehende Frauen: ihre Mutter und ihre Schwiegermutter.

Zimmer-Küche, WC und Wasser am Gang

Hostasch kam im Juli 1944 während des Zweiten Weltkriegs auf die Welt. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt, er war an der französischen Front gefallen. Sie lebte mit ihrer alleinverdienenden Mutter und ihrer kranken Oma in einer Zimmer-Küche-Wohnung, WC und Wasser am Gang. Geld war immer knapp. So zog die Oma sie auf der Rodel zur Volksschule und später ging sie zu Fuß zur Handelsakademie, um das Fahrgeld zu sparen. „Ich hatte eine sehr glückliche Kindheit. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir etwas abgegangen ist“, erinnerte sie sich im Gespräch mit dem ÖGB im November 2022.

Von Tante Murli angeworben

Nach der Matura im Jahr 1962 begann sie als kaufmännische Angestellte bei der Arbeiterbank (ab 1. Jänner 1963 BAWAG), wurde bald Leiterin der Abteilung „Ausland“ und, so sagen ihre ehemaligen KollegInnen, „zur Seele des Unternehmens“. Hostasch erinnert sich, wie sie für den Betriebsrat geworben wurde: „Die Betriebsratsvorsitzende mit dem Spitznamen „Tante Murli“ trat an mich heran und sagte: ‚Ich will, dass du in den Betriebsrat kommst‘. Ich antwortete, was tut ein Betriebsrat. Sie sagte: ‚Frag‘ nicht, tu, du wirst schon sehen‘.“ Aus der Betriebsrätin wurde schnell die Betriebsrats- und Zentralbetriebsratsvorsitzende (1975).

Eleonora Hostasch bei der Redakteurekonferenz in Bad Vöslau (1989)
Elenora Hostasch (1989) Tögel, ÖGB

Kein Problem geringschätzen

Auch in der Gewerkschaft GPA übernahm sie mehrere Funktionen: Sie war stellvertretende Vorsitzende der Sektion „Geld und Kredit“ und GPA-Frauenvorsitzende. Gleichzeitig saß sie von 1987 bis 1989 im Wiener Gemeinderat.

Sie hatte viel zu tun. Sie verhandelte Kollektivverträge, vertrat Frauenpositionen und war als einzige Frau im Ausschuss „Verkehr und Energie“, sie debattierte über den U-Bahn-Ausbau, die Bestattung und auch scheppernde Kanaldeckel.

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„Ich habe viel gelernt“, sagt Hostasch, „von der GPA-Frauensekretärin Helga Stubianek, von den Wiener SPÖ-Frauen und über die Verzahnung der Kommunalpolitik mit der Betriebsratsarbeit. Ich lernte, dass kein Problem eines Menschen geringgeschätzt werden darf, sondern ernst genommen werden muss und, wenn möglich, gelöst werden muss.“

Sozialminister Alfred Dallinger spricht bei Gewerkschaftsveranstaltung (1986)
Sozialminister Alfred Dallinger (1986) ÖGB

Der Flugzeugabsturz

Ein Tag ist Hostasch besonders in Erinnerung geblieben. Am 23. Februar 1989 nahm sie an einer Veranstaltung zum bevorstehenden EU-Beitritt teil, als ihr jemand schlechte Nachrichten ins Ohr flüsterte. Das Flugzeug, mit dem GPA-Vorsitzender Alfred Dallinger und der GPA-Zentralsekretär Richard Wonka von Wien nach Vorarlberg reisten, wäre noch nicht gelandet.

Hostasch erinnert sich: „Zuerst dachte ich mir, es wird wohl wegen dem Nebel sein, aber nach einer Stunde hörte ich immer noch nichts von einer Landung und so sagte ich allen, dass die Maschine mit Dallinger und Wonka verschollen sei. Alle erstarrten und im Saal war es totenstill. Dann hörten wir, dass die Maschine abgestürzt war und niemand überlebt hatte. Es war ein Schock.“

Eleonora Hostasch bei der Demonstration der HausbesorgerInnen (2000)
Elenora Hostasch bei der Demonstration der HausbesorgerInnen (2000) Korp/ÖGB-Archiv

Erste Frau als Gewerkschaftsvorsitzende

Trotzdem musste schnell ein/e Nachfolger/in für Dallinger gefunden werden. Die KollegInnen in der GPA wollten Hostasch als neue Vorsitzende.

Hostasch erinnert sich: „Ich schluckte. Dallinger war eine starke Persönlichkeit gewesen. Ich war Betriebsrätin und ehrenamtlich in der Gewerkschaft tätig. Andererseits dachte ich mir, ich kann nicht immer mehr Frauen in höheren Positionen fordern und dann sage ich Nein.“

Sie wurde 1989 als erste Frau Vorsitzende einer Gewerkschaft. Es war eine politische und gewerkschaftliche Sensation.

Forderungen, Proteste und Streiks

Auf ihrem Schreibtisch lag vieles zu erledigen, wie die Umsetzung einer solidarischen Einkommenspolitik, mehr Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen, die Verhinderung der Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten oder die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

Dazu kamen noch Streiks, wie im September 1991, als die MitarbeiterInnen der Zeitschriften Profil und Trend streikten. Sie unterstützte auch Protestversammlungen, wie im Dezember 1991, als rund 300 Angestellte von ausländischen Fluglinien für den Erhalt des Kollektivvertrages kämpften.

Die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Dezember 1990, dass das unterschiedliche Pensionsantrittsalter von Frauen und Männern verfassungswidrig sei, machte ihr Leben auch nicht leichter. Zwei Jahre dauerten die Verhandlungen, bis der Gleichbehandlungspakt und die Neuregelung für das Frauen-Pensionsantrittsalter unterschrieben wurden.

Frau Arbeiterkammerpräsidentin

Das „Erste-Frau-sein“ gelang Hostasch auch in der Arbeiterkammer. Sie folgte Heinz Vogler nach. Nun lagen auf ihrem Schreibtisch neue Herausforderungen, etwa die Forderung nach einer Urabstimmung über die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer. Hostasch war gegen die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft und die Ergebnisse der Abstimmung gaben ihr recht. 

Hostasch reagierte auf die Kritik, dass GewerkschafterInnen und AK-MitarbeiterInnen Ämter horten würden und legte alle ihre zusätzlichen Funktionen nieder: als GPA-Vorsitzende, als SPÖ-Sozialsprecherin, als BAWAG-Zentralbetriebsratsvorsitzende. Sie führte den AK-Reformprozesses weiter, doch dieser wurde öffentlich kaum wahrgenommen. Also setzte sie auf mehr Nähe zu den Menschen. Unter ihrer Ägide entstand ein umfassendes Serviceangebot, von Konsumentenschutz bis hin zu Unterstützung für Studierende. Täglich wurde das Postfach „534“ geleert, dorthin sandten AK-Mitglieder ihre Wünsche, Anregungen und Beschwerden.

Leerer Schreibtisch

Im Jänner 1997 wurde sie Sozialministerin. Ihr Vorgänger Franz Hums überließ ihr einen leeren Schreibtisch, aber mit dem Hinweis, dass es genügend unerledigte Dinge im Haus gäbe. Hostasch übernahm einen Haufen Probleme, wie hohe Arbeitslosigkeit, ein Sparpaket, Werkverträge ohne Gesundheits- und Pensionsversicherung, die anstehende Pensionsreform oder den Wunsch der Arbeitgeber nach Arbeitszeitflexibilisierung.

In nur drei Jahren schafft das Sozialministerium unter ihrer Leitung viele Durchbrüche: das Lehrlingspaket (1997),  wie etwa die finanzielle Erleichterung für ausbildende Betriebe, Maßnahmen für mehr Lehrstellen, das Arbeitslose dazu verdienen dürfen oder die Verabschiedung des Sanitätergesetzes, der Bildungskarenz und der Pensionsreform. Zur Umsetzung weiterer Vorhaben kam Hostasch nicht mehr. Im Jahr 2000 regierte schon die schwarz-blaue Koalition.

Eleonora Hostasch liest die Solidarität aus dem Jahr 1962
Elenora Hostasch liest die Solidarität aus dem Jahr 1962 Roland de Roo/ÖGB

Der Abschied

Nach fast zehn Jahren als Nationalratsabgeordnete schied sie am 23. März 2000 aus. Sie sagte: „Ich habe viel erledigen können“ und richtete einen Appell an die Abgeordneten: „Ich bitte Sie, Respekt vor der Sozialpolitik zu haben. Die Sozialpolitik ist jenes Politikfeld, dass die Menschen am meisten, am nähesten spüren. Gerade die Schwächsten bedürfen ihrer Hilfe.“

Ganz nach ihrem Motto: „Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen.“

Heute lebt Eleonora Hostasch in einem kleinen Häuschen mit ihrer Hündin Hexi am Wiener Stadtrand und steht als Zeitzeugin immer wieder vor der Kamera. Zuletzt bei den ORF-Dokumentationen über Anton Benya und 75 Jahre Sozialpartnerschaft.

Biografie:

geb. 9. Juli 1944

Erlernter Beruf: kaufmännische Angestellte

1962 bis zur Freistellung als Betriebsrätin (1975) in der BAWAG beschäftigt
1975-1994: Zentralbetriebsratsvorsitzende BAWAG
1974-1989: Vorsitzende der GPA-Frauenabteilung
1983-1991: Stellvertretende Vorsitzende der ÖGB-Frauen
1989-1994: Vorsitzende der GPA
1991-1995: Vizepräsidentin des ÖGB
1994-1997: Präsidentin der Arbeiterkammer Wien und der Bundesarbeitskammer
Zwischen 1989 und 2000 (mit Unterbrechungen): Abgeordnete zum Nationalrat
1997-2000: Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales
seit 2000 in Pension