Deregulierungskurs der EU gefährdet Arbeitsrecht und Umweltschutz
Europäische Agentur für Grundrechte schlägt Alarm wegen Omnibus-Verfahren – EGB fordert Kursänderung
Das Wichtigste in Kürze:
- Die EU-Kommission will bestehende Gesetze wie das Lieferkettengesetz abschwächen – zugunsten von Unternehmen
- Kritik daran von Gewerkschaften bestätigen jetzt auch Expert:innen
- Arbeitnehmer:innenrechte, Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen sind dadurch in Gefahr
- Der ÖGB und andere Gewerkschaften fordern: Stoppt diesen Kurs und stärkt soziale Rechte statt Profite.
Seit Wochen kritisieren Gewerkschaften und NGOs in Europa die sogenannten Omnibus-Pakete der EU-Kommission: Mit der Begründung, die Wettbewerbsfähigkeit vorantreiben zu wollen, werden bereits beschlossene Gesetze in Eilverfahren wieder aufgeschnürt und verwässert. Aktuell betroffen ist neben der Nachhaltigkeitsberichterstattung auch das Lieferkettengesetz - eine im Vorjahr als Meilenstein gefeierte Richtlinie, um Arbeitsbedingungen und Umweltschutz weltweit zu verbessern, die jetzt unter dem Druck der Wirtschaftslobby wieder geschwächt und aufgeschoben werden soll.
Jetzt schlägt deswegen auch die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) mit Sitz in Wien Alarm: In ihrem am 10. Juni veröffentlichten Jahresbericht formuliert die Agentur, dass die Rechte von Arbeitnehmer:innen, Verbraucher:innen und Umwelt durch die vermeintliche Wettbewerbsfähigkeits-Agenda der Kommission geschwächt zu werden drohen. Und weiter: „Obwohl sie (Anm: die Omnibus-Gesetzgebung) als Mittel zur Verringerung der regulatorischen Belastung der Unternehmen dargestellt wird, besteht bei einer Reihe dieser Änderungen die Gefahr, dass sie die Menschenrechte und den Umweltschutz schwächen.“
Vorschläge nur von Unternehmenslobbyisten
Das Arbeitsprogramm der Kommission für 2025 enthält acht von Unternehmenslobbyisten geforderte „Vereinfachungs“-Rechtsakte und fokussiert sich unter dem Mantel einer eigenwillig ausgelegten Wettbewerbsfähigkeit auf Deregulierung. Die FRA stellt fest, dass das eine Herausforderung für die Wahrung der Grundrechte in der EU darstellen könnte: Die allein auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Scheuklappen laufen Gefahr, die Rechte von Arbeitnehmer:innen und Verbraucher:innen zu schwächen.
Ein Fachurteil, das auch angesichts eines weiteren Expertenberichts zu denken gibt. Der kürzlich in Genf veröffentlichte Globale Rechtsindex des IGB (Internationaler Gewerkschaftsbund) kommt ja zum Schluss, dass es um die Rechte von Arbeitnehmer:innen in Europa so schlecht steht wie seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr.
Der EGB (Europäischer Gewerkschaftsbund) fordert die Kommission auf, von ihrer Deregulierungsagenda abzukommen, den Kurs zu ändern und sicherzustellen, dass keine Arbeitnehmer:innenrechte und Beschäftigungsstandards untergraben werden.
Katzian: Warnsignal ernstnehmen, hochwertige Arbeitsplätze schaffen
„Dieser Befund ist ein Warnsignal, damit kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, erklärt Wolfgang Katzian, Präsident von ÖGB und EGB: „Anstatt die Rechte für Arbeitnehmer:innen zu minimieren, sollte die Kommission dringend ein Paket für hochwertige Arbeitsplätze vorlegen, einschließlich neuer Regeln für das öffentliche Auftragswesen, die sicherstellen, dass öffentliche Gelder an Unternehmen gehen, die Kollektivverträge einhalten.“
Eine Deregulierung, die ausschließlich nach den Vorstellungen der Wirtschaft erfolgt, steht im Widerspruch zu den europäischen Zielen des sozialen Fortschritts, der Vollbeschäftigung und des Umweltschutzes, so Katzian abschließend: „Die Gewerkschaften Europas werden nicht tatenlos zusehen, wie die Wunschliste von Wirtschaftsvertretern Stück für Stück abgearbeitet werden soll, ohne Rücksicht auf Klimakrise, Menschenrechte und Arbeitnehmer:innenschutz. Dieser kurzsichtige Profit-Omnibus muss gestoppt werden, ein sozialer Omnibus muss Fahrt aufnehmen!“