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Clio Graz/Sammlung Sepp Filz

Das erstaunliche Leben des Sepp Filz

Der Historiker Heimo Halbrainer kannte den Weltreisenden, Widerstandskämpfer, Partisan und Betriebsratsobmann Sepp Filz noch persönlich und hat seine erstaunliche Geschichte aufgeschrieben. In „Sepp Filz – Walz, Widerstand, Wiederaufbau“ bettet Halbrainer die spannende Biografie in zeithistorische Ereignisse ein, in die bisher fast undokumentierte Geschichte des Widerstands und des beginnenden Kalten Krieges in der Steiermark und der ArbeiterInnenbewegung von der Monarchie bis in die 1950er-Jahre.

Der Weltreisende, Widerstandskämpfer, Betriebsratsobmann Sepp Filz und der Autor Heimo Halbrainer (1992)
Der Weltreisende, Widerstandskämpfer, Betriebsratsobmann Sepp Filz und der Autor Heimo Halbrainer (1992) Clio Graz/Sammlung Heimo Halbrainer

Anstoß zu dem Buch gab Sepp Filz selbst, nicht aus Eitelkeit, sondern weil er sich darüber ärgerte, dass zwar immer die Geschichte der Politiker in der Nachkriegszeit erzählt wird, aber nie die der WiderstandskämpferInnen oder gar der ArbeiterInnen im Bezirk Leoben. Halbrainer änderte das nun und hat ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, über einen Mann, dessen Lebensweg als Arbeiter im Hüttenwerk Donawitz eigentlich vorgezeichnet war.

Familie Filz mit weiteren BewohnerInnen der "Siebener-Häuser" in Donawitz (1919)
Familie Filz mit weiteren BewohnerInnen der "Siebener-Häuser" in Donawitz (1919) Clio Graz/Sammlung Sepp Filz

Es begann mit einer Schlosserlehre und endete mit einem Berufsverbot in der Steiermark; dazwischen lagen viele Wanderjahre – von Deutschland über Frankreich und Spanien bis nach Ägypten – mit unzähligen Abenteuern: Sepp Filz wurde von der Polizei verprügelt, lebte in einem Obdachlosenheim, reiste als Heizer in einem Zug durch Spanien und versteckte sich als blinder Passagier auf einem Schiff. Aber er kehrte auch immer wieder in die Steiermark zurück.

Als er nach 1926 von seiner ersten Walz in Donawitz ankam, erkannte er es kaum wieder: Die sozialen Errungenschaften der Ersten Republik wie der Acht-Stunden-Tag und das Arbeiterurlaubsgesetz waren ausgehebelt, kommunistische und freigewerkschaftliche Betriebsräte gekündigt, die Arbeitslosigkeit gestiegen und die Ernährungslage schlecht. Noch schlimmer war es nach seiner Rückkehr von der zweiten Walz im Jahr 1932: Nun regierten die Faschisten in den Betrieben. Und aus dem Weltreisenden wurde ein Widerstandskämpfer und später ein Mitglied der slowenischen Partisanen.

Clio Graz/Sammlung Sepp Filz

„Wir hauen dir den Schädel runter!”

Halbrainer verquickt nun die Lebensgeschichte von Sepp Filz mit der von Hunger und Arbeitslosigkeit geprägten Lebenssituation der Menschen und beschreibt die Auswirkungen des Faschismus und den Widerstand dagegen. Er erzählt, wie Filz Streiks gegen Lohn- und Sozialkürzungen unterstützte, gegen Verhaftungen protestierte, selbst festgenommen und wieder freigelassen wurde und sich weigerte, zur illegalen SS zu gehen, die ihm drohte: „Wenn du irgendwas [gegen die Nationalsozialisten] machst, hauen wir den Schädel runter!“ Die Drohung hielt aber weder ihn noch seine Mitkämpfer – stets unter Lebensgefahr – davon ab, den Nationalsozialisten die Stirn zu bieten: Die LeserInnen erfahren von der Planung von Sabotageakten, von Waffenverstecken und wie es sich anfühlt, ständig auf der Flucht zu sein. Kleinteilig schildert der Autor, gespickt mit Originalzitaten von Filz, wie Partisanen agierten, von deren Schwierigkeiten und Erfolgen, aber auch vom Scheitern von Aktionen.

Betriebsratsobmann beim Hochofenanstich in Donawitz (1946)
Betriebsratsobmann beim Hochofenanstich in Donawitz (1946) Clio Graz/Sammlung Sepp Filz

Die Rückkehr

Filz kehrte mit Kriegsende ins Werk zurück und begann einen neuen Lebensabschnitt, als Betriebsratsobmann. Gemeinsam mit Kollegen verhinderte er die Zerstörung der Anlagen durch die abziehenden Nationalsozialisten. Sie brachten den Betrieb ohne staatliche Hilfe ins Laufen und forderten daher ein allumfassendes Mitspracherecht für ArbeiterInnen ein.

Die Betriebsratskörperschaft war erfolgreich: Es gab einen Versorgungsausschuss, der die am Arbeitsplatz vor Hunger kollabierenden Arbeiter mit Lebensmittel versorgte und einen Produktionskontrollausschuss, der überwachte, wohin die Waren geliefert werden sollten. 

Doch zuerst mussten die Schäden am Werk repariert werden – ein schwieriges Unterfangen: Der Konzern geriet in finanzielle Schwierigkeiten, wollte Teile des Werks stilllegen und 1.000 ArbeiterInnen entlassen.

Das gerettete Werk

Filz reiste mit Kollegen nach Wien und rang gemeinsam mit ÖGB-Präsident Johann Böhm und dem Vertreter der Gewerkschaft Metall-Bergbau, Dominik Hummel, dem Staatskanzler Karl Renner das Versprechen ab, das Werk nicht stillzulegen. Von da an ging es aufwärts und am 10. August 1946 floss das erste Eisen. In den folgenden Jahren kümmerte sich Filz nicht nur um die Produktion und um das Mitspracherecht der ArbeiterInnen, sondern auch darum, dass die Beschäftigten und ihre Familien Lebensmittel und Schuhe erhielten.

Seine Erfolge brachten ihm aber auch viele Neider; und das Erstarken des Verbands der Unabhängigen (VdU) - Sammelbeckens der Nationalsozialisten und Vorgängerpartei der heutigen FPÖ - führte zu Gerichtsprozessen und schließlich dazu, dass Filz in der Steiermark Berufsverbot erhielt, aus Donawitz wegging und sich in St. Pölten niederließ, wo er heiratete und Vater eines Sohns wurde.

Fazit: Das Buch ist viel mehr als nur die Biografie eines unbeugsamen Mannes, es ist die Geschichte einer ganzen Region, wie sie spannender noch nicht erzählt worden ist.

Heimo Halbrainer
„Sepp Filz. Walz, Widerstand, Wiederaufbau“
Clio Graz, 2021
323 Seiten
25,00 Euro
Zu kaufen bei lokalen BuchhändlerInnen

Zum Weiterhören: ÖGB-Podcast Vorgehört/Nachgedacht