Der Gewerkschafter Karl Mantler bei einer Rede am 1. ÖGB-Bundeskongress am 18. Mai 1948
ÖGB-Archiv
Die drei Leben des Karl Mantler
Zwischen Diktatur und Demokratie: Das unermüdliche Engagement eines Arbeiter:innenanwalts
Das Wichtigste in Kürze:
- Karl Mantler war ein engagierter Gewerkschafter, der die Gewerkschaft dreimal neu aufbaute, jeweils nach großen Umbrüchen
- In den 1920er und 1930er Jahren kämpfte er als „Anwalt der Arbeiterbewegung“ für Arbeitnehmerschutz, faire Kollektivverträge und gegen den aufkommenden Faschismus
- Nach dem Verbot der Gewerkschaften 1934 arbeitete Mantler im Untergrund weiter, wurde mehrfach verhaftet und überlebte Haft und Konzentrationslager
- Nach Kriegsende baute er die Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter (LUGA) zum dritten Mal auf
Karl Mantlers Leben war hart, von Kindheit an. Er musste in seiner Lehrzeit als Fleischhauer sieben Tage die Woche bis zu 14 Stunden lang arbeiten. Schon während der Monarchie erlebte er als Gewerkschaftsmitglied wüste Schlägereien zwischen sozialdemokratischen und christlichsozialen Gehilfen und beteiligte sich an Streiks für bessere Kollektivverträge. Er arbeitete am Aufbau der Gewerkschaft der Fleischhauer- und Fleischselcher mit.
Dreimal musste er die Organisation aufbauen: Das erste Mal, als der Erste Weltkrieg die Mitglieder zu Soldaten gemacht hatte, nach der Gründung der Ersten Republik 1918 und nach dem Austrofaschismus und dem Nationalsozialismus 1945.
Karl Mantler bei einer Aufführung des Jugendchors der Gewerkschaftsjugend, 1951
Kammler/ÖGB-Archiv
Der Anwalt der Arbeiter:innenbewegung
Als „unerschrockener Anwalt der […] Arbeiterbewegung“ kämpfte er in den ersten Jahren der Ersten Republik an vielen Fronten: für Kollektivvertragsabschlüsse und deren Einhaltung, für die Beseitigung der „Lehrlingszüchterei“, für die Verbesserung der hygienischen Bedingungen in den Betrieben und für die Einhaltung des Achtstundentagesgesetzes und der Sonntagsruhe.
In den 1920er Jahren musste er zusehen, wie die galoppierende Inflation Arbeitsplätze und somit Mitglieder kostete und abgeschlossene Kollektivverträge „vergessen“ wurden – Arbeiter:innen unterliefen sie aus Angst um ihren Arbeitsplatz, und Unternehmer hielten die Vereinbarungen aus Kostengründen nicht ein.
Mit dem aufkommenden Faschismus in den späten 1920er- und den frühen 1930er-Jahren machte er aus der „freundlichen und friedlichen Heimstätte“ für Arbeiter:innen eine echte Kampforganisation. Versammlungen, Streiks, Proteste, Demonstrationen folgten. Es ging darum, Verschlechterungen in den Kollektivverträgen abzuwehren. Trotzdem musste er Errungenschaften nach und nach aufgeben.
Der Illegale: Karl Mantler
Als „politischer Anwalt der Arbeiterschaft“ warnte er stetig vor dem zunehmenden Faschismus in Österreich – erfolglos. Die Austrofaschisten gewannen die Februarkämpfe im Jahr 1934. Die autoritäre Regierung verbot die sozialdemokratischen Gewerkschaften und sozialdemokratische Betriebsrät:innen verloren ihre Mandate. Viele Funktionär:innen gingen in den Untergrund, so auch Mantler. Er übernahm die Leitung der illegalen Gewerkschaften. Sie hielten Kontakt mit den Betrieben, verbreiteten die nun verbotenen Gewerkschaftszeitungen, organisierten Hilfsaktionen für Angehörige der von den Austrofaschisten Verhafteten und leisteten Widerstand gegen den „Hitler-Faschismus.“
Im Jahr 1936 wurde Mantler verhaftet. Bei den Vernehmungen schwieg er eisern. Schließlich wurde er ins Anhaltelager Wöllersdorf überstellt und bis zum August 1937 dort festgehalten. Kaum entlassen, übernahm er wieder den Vorsitz der illegalen Gewerkschaftsbewegung.
Als am 12. März 1938 die Österreicher:innen die nationalsozialistischen Truppen mit Jubel und Sieg-Heil-Rufen empfingen, arbeitete Mantler weiter im Widerstand. Aber er wurde am 1. September 1939 als politischer Gegner verhaftet. Fünf Tage später wurde er ins Konzentrationslager Buchenwald deportiert und überlebte die unmenschlichen Bedingungen.
Die Rückkehr nach Wien
Am 11. April 1945 befreite die amerikanische Armee das Konzentrationslager. Im Dezember 1945 war Mantler wieder in Wien und wurde zum provisorischen Obmann der Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter (LUGA) gewählt. Er baute also zum dritten Mal eine Gewerkschaft auf.
Vom Trümmerhaufen zum Sozialstaat
Bei der Eröffnungsrede des ersten Kongresses der Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter (LUGA) im Oktober 1947 sagte er: „Österreich gleicht einem Trümmerhaufen. Zerstörte Städte und Betriebe, faschistische Ideologien in den Köpfen der Menschen. Die Menschen hungern, frieren und sind krank. Die Aufgabe im befreiten Österreich muss neben dem Wiederaufbau der Wirtschaft auch der Neuaufbau der Sozialpolitik sein.“ Und er machte sich an die Arbeit. Er saß in unzähligen Gremien, um die Sozialgesetzgebung und die Gewerkschaft wiederaufzubauen.
Bei Lohnverhandlungen bewegte er sich auf einem schmalen Grat zwischen den Erwartungen der Arbeiter:innen und den Möglichkeiten der Unternehmer. Es fehlte an Rohstoffen, und von den Nationalsozialisten war ein „Flickenteppich aus willkürlichen und diktatorischen Lohnsystemen“ übriggeblieben. Die LUGA stand vor der Herausforderung, ein „gerechtes Lohnsystem“ aufzubauen. Mantler vermittelte bei Streiks, erreichte Lohnerhöhungen und Kollektivvertragsabschlüsse.
Ansichtskarte des Karl-Mantler-Erholungsheims in Cap Wörth, in Velden
ÖGB-Archiv
Der Abschied
Im Jahr 1955 erkrankte Karl Mantler schwer und legte all seine Ämter zurück. Er starb am 3. August 1965. Als Erinnerung an den Gewerkschafter wurde das heute noch bestehende Erholungsheim der Gewerkschaftsjugend in Velden nach ihm benannt.
Quellen:
Mendel Marliese, Karl Mantler, in Geschichte der Gewerkschaften, S. 277-283
Biografische Dokumentation, ÖGB-Archiv
Pellar Brigitte, Lernen über den Tellerrand zu schauen, in Der Sozialdemokratische Kämpfer Nr. 04-05/2020, S. 17
Karl Mantler wurde verfolgt, verhaftet, deportiert – und trotzdem hat er weitergekämpft. Für Gerechtigkeit. Für Menschenwürde. Für eine starke Gewerkschaft.