
Schluss mit den Märchen über das Arbeitslosengeld
Immer wieder kommen Vorschläge, dass das ohnehin niedrige Arbeitslosengeld von 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens noch weiter gekürzt werden soll oder Arbeitslose strenger sanktioniert werden sollen. Kürzungsvorschläge bedeuten aber nichts anderes als: Arbeitslose sollen durch finanzielle Not gezwungen werden, in Jobs zu arbeiten, die es gar nicht gibt oder für die sie nicht qualifiziert sind.
oegb.at hat sich die hartnäckigsten 4 Mythen über ein höheres Arbeitslosengeld angesehen.
Mythos Nr. 1: Es gibt schon genug Sozialleistungen
Österreich zeichnet sich durch eine hohe soziale Absicherung aus, die Menschen in bestimmten Lebenslagen wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Familiengründung, Pension im Alter etc. gezielt unterstützt. Davon profitiert jede/r einzelne sowie die gesamte Gesellschaft. Ohne diese Leistungen wären mehr als dreimal so viele Menschen in Österreich armutsgefährdet.
Nur wer im Vorhinein Beiträge einzahlt, hat später Anspruch darauf. Kurz gesagt: Wer in eine Versicherung einbezahlt, hat das Recht, die Versicherungsleistung zu erhalten. Es müssen dafür nur bestimmte Voraussetzungen – wie z. B. arbeitswillig zu sein – erfüllt werden. Versicherungsleistungen sind neben dem Arbeitslosengeld auch die Notstandshilfe oder die Pension, aber auch Krankengeld.
Das Arbeitslosengeld ist keine Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung.
Sozialleistungen hingegen sollen Einkommensungleichheiten sowie Armut und Ausgrenzung verringern. Personen, die unter bestimmten Voraussetzungen anspruchsberechtigt sind, erhalten daher vom Staat eine entsprechende Unterstützung. Sozialleistungen sind z. B. die Mindestsicherung, Familienbeihilfe, Pflegegeld, Wohnbeihilfe etc.
Mythos Nr. 2: In Österreich bekommen Arbeitslose eh genug Geld
In Österreich bekommen Arbeitslose 55 Prozent vom letzten Nettoeinkommen. Das bedeutet, sie müssen von heute auf morgen mit nur mehr zirka der Hälfte ihres Einkommens auskommen. Die Kosten für Wohnung, Strom, Lebensmittel bleiben aber gleich hoch. Mit durchschnittlich 994 Euro liegt das Arbeitslosengeld (2020: Tagsatz von 33,12 EUR) deutlich unter der Armutsgrenze von 1.328 Euro.
Auch international gesehen, liegt Österreich hier weit zurück. Während das Arbeitslosengeld in Deutschland zumindest 60 Prozent des vorigen Einkommens beträgt, liegt die sogenannte Nettoersatzrate in Schweden bei 70, in Lettland bei 80 und in Belgien sogar bei bis zu 90 Prozent.
Mythos Nr. 3: Ein hohes Arbeitslosengeld verführt zum Nichtstun
Das Argument, die Menschen würden zu lange warten, um sich um einen neuen Job zu kümmern, ist grundlegend falsch. Denn die allermeisten haben nach drei bis spätestens sechs Monaten eine neue Beschäftigung. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit (Verweildauer) betrug im Jahr 2020 rund vier Monate.
97 Prozent der Arbeitslosen suchen aktiv nach einem neuen Job. Sie schreiben im Schnitt sechs Bewerbungen pro Monat, bekommen aber auf die meisten Bewerbungen nicht einmal eine Antwort und nur 17 Prozent führen zu einem Vorstellungsgespräch. Frauen, ältere Menschen und jene, die schon länger arbeitslos sind, haben es besonders schwer. Angesichts dessen davon zu sprechen, dass ein höheres Arbeitslosengeld zum Nichtstun verführe, ist mehr als zynisch.
Mythos Nr. 4: Höheres Arbeitslosengeld kostet viel und bringt nichts
In Wahrheit bezahlen sich ArbeitnehmerInnen das Arbeitslosengeld selbst, denn monatlich führen sie über ihr Einkommen den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ab. Wie auch bei der Krankenversicherung zahlen sie für den Notfall ein. Denn jede und jeder Einzelne kann im Laufe des Arbeitslebens den Arbeitsplatz verlieren.
Mit einem höheren Arbeitslosengeld können Menschen nicht nur vor einem wirtschaftlichen und sozialen Totalabsturz bewahrt werden. Das ausbezahlte Geld fließt auch wieder zurück in den Wirtschaftskreislauf, sichert die Kaufkraft und ist aktuell ein wichtiger Beitrag beim Wiederhochfahren der Wirtschaft.
Aus diesen Gründen fordert der ÖGB eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von aktuell 55 auf 70 Prozent des vorigen Einkommens.