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9 von 10 Arbeitslosen leben bereits jetzt weit unter der Armutsgrenze von rund 1.400 Euro pro Monat. Durch die finanzielle Not sollen Arbeitslose in Billigjobs gezwungen werden Gina Sanders

Höheres Arbeitslosengeld bringt allen etwas

Im Februar 2024 fordert die ÖVP erneut, das ohnehin niedrige Arbeitslosengeld von 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens noch weiter zu kürzen – auf unter 50 Prozent. Als ob das nicht schon genug wäre, will sie auch noch den geringfügigen Zuverdienst verbieten. Das ist reine Schikane.

Denn Kürzungsvorschläge bedeuten nichts anderes als Arbeitslose noch ärmer zu machen. Neun von zehn Arbeitslosen leben bereits jetzt weit unter der Armutsgrenze von rund 1..400 Euro pro Monat. Durch die finanzielle Not sollen Arbeitslose in Billigjobs gezwungen werden.

oegb.at hat sich die hartnäckigsten 4 Mythen über ein höheres Arbeitslosengeld angesehen und sie mit guten Argumenten entkräftet..

Mythos Nr. 1: Es gibt schon genug Sozialleistungen

Österreich zeichnet sich durch eine hohe soziale Absicherung aus, die Menschen in bestimmten Lebenslagen wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Familiengründung, Pension im Alter etc. gezielt unterstützt. Davon profitiert jede:r einzelne sowie die gesamte Gesellschaft. Ohne diese Leistungen wären mehr als dreimal so viele Menschen in Österreich armutsgefährdet.

Das Arbeitslosengeld ist keine Sozialleistung, sondern eine Versicherungsleistung.

Nur wer im Vorhinein Beiträge einzahlt, hat später Anspruch darauf. Kurz gesagt: Wer in eine Versicherung einbezahlt, hat das Recht, die Versicherungsleistung zu erhalten. Es müssen dafür nur bestimmte Voraussetzungen – wie z. B. arbeitswillig zu sein – erfüllt werden. Versicherungsleistungen sind neben dem Arbeitslosengeld auch die Notstandshilfe oder die Pension, aber auch Krankengeld.

Sozialleistungen hingegen sollen Einkommensungleichheiten sowie Armut und Ausgrenzung verringern. Personen, die unter bestimmten Voraussetzungen anspruchsberechtigt sind, erhalten daher vom Staat eine entsprechende Unterstützung. Sozialleistungen sind z. B. die Mindestsicherung, Familienbeihilfe, Pflegegeld, Wohnbeihilfe etc.

Mythos Nr. 2: In Österreich bekommen Arbeitslose eh genug Geld

In Österreich bekommen Arbeitslose 55 Prozent vom letzten Nettoeinkommen. Das bedeutet, sie müssen von heute auf morgen mit nur mehr zirka der Hälfte ihres Einkommens auskommen. Die Kosten für Wohnung, Strom, Lebensmittel bleiben aber gleich hoch., während das Arbeitslosengeld gleich niedrig bleibt und nicht an die Inflation angepasst wird. Mit durchschnittlich 1..077 Euro liegt das Arbeitslosengeld (2022: Tagsatz von 35,89 EUR) deutlich unter der Armutsgrenze von 1.392 Euro.

Auch international gesehen, liegt Österreich hier weit zurück. Während das Arbeitslosengeld in Deutschland zumindest 60 Prozent des vorigen Einkommens beträgt, liegt die sogenannte Nettoersatzrate in Schweden bei 72, in Lettland bei 77 und in Belgien sogar bei bis zu 91 Prozent.

Mythos Nr. 3: Ein hohes Arbeitslosengeld verführt zum Nichtstun

Das Argument, die Menschen würden zu lange warten, um sich um einen neuen Job zu kümmern, ist grundlegend falsch. Denn die allermeisten haben nach drei bis spätestens sechs Monaten eine neue Beschäftigung. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit (Verweildauer) ist rückläufig und betrug im Jahr 2022 rund vier Monate.

97 Prozent der Arbeitslosen suchen aktiv nach einem neuen Job. Sie schreiben im Schnitt sechs Bewerbungen pro Monat, bekommen aber auf die meisten Bewerbungen nicht einmal eine Antwort und nur 17 Prozent führen zu einem Vorstellungsgespräch. Frauen, ältere Menschen und jene, die schon länger arbeitslos sind, haben es besonders schwer. Angesichts dessen davon zu sprechen, dass ein höheres Arbeitslosengeld zum Nichtstun verführe, ist mehr als zynisch.

Mythos Nr. 4: Höheres Arbeitslosengeld kostet viel und bringt nichts

In Wahrheit bezahlen sich ArbeitnehmerInnen das Arbeitslosengeld selbst, denn monatlich führen sie über ihr Einkommen den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ab. Wie auch bei der Krankenversicherung zahlen sie für den Notfall ein. Denn jede und jeder Einzelne kann im Laufe des Arbeitslebens den Arbeitsplatz verlieren.

Mit einem höheren Arbeitslosengeld können Menschen nicht nur vor einem wirtschaftlichen und sozialen Totalabsturz bewahrt werden. Das ausbezahlte Geld fließt auch wieder zurück in den Wirtschaftskreislauf, sichert die Kaufkraft und ist aktuell ein wichtiger Beitrag beim Wiederhochfahren der Wirtschaft.

Aus diesen Gründen fordert der ÖGB eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes von aktuell 55 auf 70 Prozent des vorigen Einkommens und lehnt jede Kürzung entschieden ab.