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eine junge Frau mit Mundschutzmaske sitzt in einem Lokal, Stühle sind alle auf den Tischen - das Lokal hat geschlossen. Sie telefoniert besorgt. Vor ihr liegen Rechnungen, davon hält sie eine in der Hand
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Arbeitslosigkeit

Vier Gründe, warum ein höheres Arbeitslosengeld allen etwas bringt

Sowohl die Wirtschaft als auch ArbeitnehmerInnen gewinnen, wenn Arbeitslose nicht arm sind

Jeder und jede kann arbeitslos werden, auch abseits einer weltweiten Pandemie. In Österreich sind jedes Jahr rund 900.000 Menschen arbeitslos – die meisten finden zum Glück relativ schnell – innerhalb von drei bis sechs Monaten – wieder eine neue Beschäftigung. Während der Jobsuche soll sie das Arbeitslosengeld absichern und ihre Lebensgrundlage finanzieren. Ein Arbeitslosengeld in der Höhe von 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens ist aber zu wenig. Der ÖGB fordert zumindest eine Erhöhung auf 70 Prozent Nettoersatzrate.

Warum ein höheres Arbeitslosengeld ein Gewinn für alle ist, erklärt oegb.at in vier Punkten:

Neun von zehn Arbeitslosen sind arm 

Arbeitslose bekommen von heute auf morgen nur mehr zirka die Hälfte ihres Einkommens. Die Kosten für Wohnung, Strom, Lebensmittel bleiben aber gleich hoch. Mit durchschnittlich 994 Euro liegt das Arbeitslosengeld (2020) deutlich unter der Armutsgrenze. Eine Studie vom Institut Sora hat außerdem festgestellt: Neun von zehn Arbeitslosen sind arm.

Derzeit sind zum Beispiel Tourismus und Gastronomie stark betroffen. Eine arbeitslose Kellnerin verliert schnell sehr viel Geld, denn alleine durch den Entgang des Trinkgelds fehlen ihr 1.000 Euro pro Monat. Aufgrund des niedrigen Arbeitslosengeldes bleiben ihr insgesamt weniger als 1.000 Euro und damit ein Leben unter der Armutsgrenze. Mit einem höheren Arbeitslosengeld wäre nicht nur ihre Existenzgrundlage gesichert; sie wäre auch finanziell so weit abgesichert, dass sie nicht jeden Job annehmen muss, sondern sich eine Arbeit suchen kann, die ihren Qualifikationen entspricht.

Allgemein ist hier zu sagen, dass ein niedriges Arbeitslosengeld dazu führt, dass Arbeitssuchende auch schlechte Jobs annehmen müssen. Dies hat wiederum zur Folge, dass der Niedriglohnsektor vergrößert wird – und damit die Erwerbsarmut. Qualifizierungen treten hingegen in den Hintergrund.

Unzumutbare Arbeitsbedingungen

Überlange Arbeitszeiten, spontane Diensteinteilung, ein Arbeitsweg von zwei Stunden oder schlechte Bezahlung sind Arbeitsbedingungen, die niemand haben möchte. Trotzdem gelten sie für Arbeitslose allgemein als zumutbar. Wenn – wie derzeit – nach nur 100 Tagen der Berufsschutz nicht mehr gilt, können alle, von der Akademikerin bis zum Tellerwäscher, überallhin vermittelt werden. Dieser Weg darf auch in einen prekären Job oder eine befristete Beschäftigung führen.

Statt also ständig Arbeitslose zu bekämpfen und immer mehr von ihnen zu verlangen, sollte auf schlechte Arbeitsbedingungen und strukturelle Diskriminierung geachtet werden: Frauen um die 30 könnten schwanger werden, ab 55 ist man zu alt, Junge haben zu wenig Erfahrung und wer eine dunkle Hautfarbe hat oder ein Kopftuch trägt, wird gar nicht mal zum Bewerbungsgespräch eingeladen. 

Wenn also bestimmte Branchen keine Arbeitskräfte finden, muss man sich anschauen, ob die Arbeitsbedingungen in dieser Branche den ArbeitnehmerInnen überhaupt zumutbar sind. Und: Es braucht Sanktionen für Firmen, die sich nicht an das Arbeitsrecht halten.

Kaufkraft sichern

Wer nichts hat, kann nichts ausgeben. Das ist logisch. Bei einem Arbeitslosengeld, das zirka die Hälfte des letzten Einkommens beträgt, geht für die meisten alles für Fixkosten drauf. Für Hobbies, Shoppen oder Essen gehen bleibt da nichts über. 

Für Arbeitslose würde ein höheres Arbeitslosengeld jedenfalls keinen derart tiefen wirtschaftlichen Absturz bedeuten, wie sie ihn aktuell erleben, und sie bekämen ein wenig mehr Optimismus. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet ein höheres Arbeitslosengeld, dass mehr Kaufkraft vorhanden und der wirtschaftliche Einbruch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit nicht so tief ist. Man nennt das „Automatischer Stabilisator“: Das Arbeitslosengeld – und noch mehr eine Erhöhung desselben – wirkt stabilisierend auf die Wirtschaftslage und kommt somit allen zugute.

Kosten verschieben sich

Wer glaubt, ein höheres Arbeitslosengeld würde den Staat viel mehr kosten, als wenn man es senkt, der irrt. Eine Absenkung des Arbeitslosengeldes führt nur dazu, dass mehr Menschen in die Mindestsicherung rutschen – die Kosten verschieben sich also nur auf die Sozialausgaben.

Die viel bessere Lösung – neben einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes – wäre eine massive Erhöhung der Löhne und Gehälter. Denn wer mehr verdient, hat im Notfall ein höheres Arbeitslosengeld, eine sichere Lebensgrundlage und mehr Geld zum Ausgeben. All das fließt in den Wirtschaftskreislauf zurück, sichert die Kaufkraft und in weiterer Folge auch Arbeitsplätze.
 

Das bedeuten Netto-Ersatzrate und Arbeitslosengeld

1) Der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes beträgt in Österreich 55 Prozent des letzten (oder vorletzten) Jahres-Nettoeinkommens – auch Nettoersatzrate genannt.

2) Hierzu wird das Bruttoeinkommen maximal bis zur Höchstbemessungsgrundlage herangezogen, Sozialabgaben und Einkommensteuer abgezogen und so in ein Nettoeinkommen umgerechnet.

3) Der Grundbetrag (=Nettoersatzrate) beträgt letztlich 55 Prozent des Netto-Einkommens und wird auf Tage (in einen Tagsatz) umgerechnet. Daher ist das Arbeitslosengeld je nach Monat ungleich hoch. 


Das bedeutet aktuell eine Netto-Ersatzrate von 55 Prozent:

A) 1.000 Euro brutto sind rund 590 Euro Arbeitslosengeld
B) 2.150 Euro brutto sind rund 1.050 Euro Arbeitslosengeld
C) 4.000 Euro brutto sind rund 1.721 Euro Arbeitslosengeld 

evtl. Familienzuschlag oder Ergänzungsbeitrag 

Alle Informationen zum Thema Arbeitslosengeld auf www.ams.at

Berechnung des Arbeitslosengeldes 

Grundbetrag

Basis für die Berechnung des Grundbetrags für das Arbeitslosengeld sind die monatlichen Beitragsgrundlagen, die beim Dachverband der Sozialversicherungsträger gespeichert sind. Dienstgeber müssen für ihre Beschäftigten monatlich Beitragsgrundlagen melden. Die gemeldeten monatlichen Beitragsgrundlagen können vom Dienstgeber innerhalb von einem Jahr berichtigt werden (= Berichtigungsfrist).

Bei Antragstellungen ab 01.07.2020 geltenden folgende Grundsätze:

  • Es werden die letzten 12 monatlichen Beitragsgrundlagen vor der Berichtigungsfrist für die Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt.

Beispiel: Antrag auf Arbeitslosengeld am 17.01.2022. Die Jahresfrist (Berichtigungsfrist) geht vom 01.01.2021 bis 31.12.2021. Somit werden nur monatliche Beitragsgrundlagen, die älter als 2021 sind, für das Arbeitslosengeld berücksichtigt. Konkret werden die 12 Beitragsgrundlagen aus den Monaten Jänner 2020 bis (inklusive) Dezember 2020 herangezogen.

Ergänzungsbetrag

Wenn der Grundbetrag des Arbeitslosengeldes niedriger ist als der Ausgleichszulagen-Richtsatz von 1030,49 Euro erhalten Arbeitslose einen Ergänzungsbetrag – sodass sie in den meisten Fällen zumindest die 1030,49 Euro bekommen. (Stand Februar 2022).   Zusätzlich können auch noch Familienzuschläge hinzukommen.

Höchstgrenzen

  • Wenn Sie keinen Anspruch auf Familienzuschläge haben, darf Ihr Arbeitslosengeld inkl. Ergänzungsbetrag nicht höher sein als 60 Prozent Ihres täglichen Netto-Einkommens.
  • Wenn Sie Anspruch auf Familienzuschläge haben, darf Ihr Arbeitslosengeld inkl. Ergänzungsbetrag und Familienzuschläge nicht höher sein als 80 Prozent Ihres täglichen Netto-Einkommens.

Achtung: Die Berechnung des Arbeitslosengeldes ist kompliziert. Mehr Information gibt es auf ams.at und bei den BeraterInnen des AMS.

Volksbegehren: "Arbeitslosengeld rauf!"

Im Juni 2021 startete ein breites Bündnis an NGOs und Privatpersonen ein Volksbegehren unter dem Titel „Arbeitslosengeld rauf!“. Die zentrale Forderung - ist wie die des ÖGB - eine Erhöhung des Arbeitslosengelds auf eine Nettoersatzrate von mind. 70 Prozent des zuletzt bezogenen Gehalts.

Bis 9. Mai für ein existenzsicherndes Arbeitslosengeld unterschreiben - online oder auf allen Gemeindeämtern!

 

 

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