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Oumaima arbeitet Teilzeit als Pflegeassistentin und hat zwei Kinder: „Einer geht in die Schule, der andere in den Kindergarten. Und selbst die 25 Stunden sind für mich eine Herausforderung.“ ÖGB - Roland de Roo

Arbeitszeit

Wenn Teilzeit keine Wahl ist

Weniger ist oft mehr: was kürzere Arbeitszeiten für Familien und Gesundheit bedeuten

Das Wichtigste in Kürze:

  • Mehr als die Hälfte der Frauen arbeitet in Teilzeit
  • Kinderbetreuungsplätze, geeignete Vollzeitstellen und Pflegeangebote fehlen
  • Teilzeit bedeutet: weniger Einkommen, weniger Pension, Kaufkraftverlust, weniger soziale Absicherung
  • Der ÖGB fordert: Rechtsanspruch auf Kinderbildungsplatz ab dem 1. Geburtstag sowie auf Vollzeitarbeitsplätze, faire Verteilung von Care-Arbeit, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich

Zwei Frauen, zwei Lebensrealitäten – und ein Thema, das beide betrifft: die Arbeitszeit. Für die eine bedeutet Teilzeit finanzielle Unsicherheit und Stress, für die andere Freiheit und Lebensqualität. Oumaima Gazbouri (31) arbeitet als Pflegeassistentin in einem Tageszentrum der Caritas Socialis in Wien. Als ihr Mann vor einem Jahr verstarb, reduzierte sie ihre Wochenarbeitszeit wegen ihrer Kinder (sieben und fünf Jahre alt) von 30 auf 25 Stunden. „Ich brauche Zeit für die Betreuung“, erklärt die Alleinerzieherin: „Einer geht in die Schule, der andere in den Kindergarten. Und selbst die 25 Stunden sind für mich eine Herausforderung.“

Ich würde sehr gerne mehr arbeiten und mehr verdienen, aber es geht nicht. Es ist unmöglich, Vollzeit in der Pflege zu arbeiten und gleichzeitig für meine Kinder umfassend da zu sein.

Oumaima Gazbouri, Pflegeassistentin

Was sie ärgert, sind pauschale Urteile, dass Teilzeitkräfte keine Lust hätten, zu arbeiten: „Das stimmt einfach nicht. Ich würde sehr gerne mehr arbeiten und mehr verdienen, aber es geht nicht. Es ist unmöglich, Vollzeit in der Pflege zu arbeiten und gleichzeitig für meine Kinder umfassend da zu sein.“

Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit

Österreich hat eine der höchsten Teilzeitquoten in Europa – insbesondere bei Frauen. Knapp jede zweite erwerbstätige Frau arbeitet in Teilzeit. Diese Entscheidung wird jedoch meist nicht freiwillig getroffen. Viele finden keine passende Vollzeitstelle. Oder sie müssen unbezahlt Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen übernehmen. Die Folgen sind ein geringeres Einkommen, schlechtere Karrierechancen und niedrigere Pensionen. Teilzeit ist damit nicht nur ein Arbeitszeitmodell, sondern auch eine soziale Frage.

„Ein Tag nur für mich“

Anders ist die Situation bei Marliese Mendel (56), Historikerin und Archivarin. Sie arbeitet 30 Stunden pro Woche und hat sich bewusst für Teilzeit entschieden. „Während der Menopause merkte ich, dass mir bei Vollzeitarbeit die Kraft ausging. Ich lag am Wochenende nur noch schlapp auf dem Sofa, also habe ich meine Arbeitszeit reduziert“, erzählt sie. Die Historikerin genießt ihre gewonnene Zeit: „Ich habe einen Tag pro Woche nur für mich. Dadurch gehe ich ausgeruhter und voller Kraft in die neue Arbeitswoche Nachteile? „Natürlich: weniger Einkommen, weniger Pension. Aber ich kann so auf meine Gesundheit achten – und bin im Job leistungsfähiger“, sagt sie.

Archivarin Marliese Mendel hat sich bewusst für Teilzeit entschieden – für mehr Erholung und Gesundheit im (Berufs-)Alltag. ÖGB - Roland de Roo

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Der ÖGB fordert seit Jahren eine schrittweise Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. „Wir müssen Arbeit fair verteilen“, sagt ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian: „Das geht mit kürzeren Vollarbeitszeiten, die für alle leistbar sind – auch für Unternehmen, mit klarer Grundlage in den Kollektivverträgen und guter Planung.“

Unter anderen Umständen würde auch Oumaima sofort mehr arbeiten. „Familienfreundliche Arbeitszeiten sind sehr wichtig. Ich habe Glück, aktuell funktioniert das bei mir gut. Wenn meine Kinder größer sind, möchte ich aber auf 30 oder 35 Stunden aufstocken.“  Marliese findet es absurd, dass Teilzeit mit Faulheit gleichgesetzt wird: „Ich habe bestimmt keine Arbeitsunlust. Ich leiste in 30 Stunden mehr, als wenn ich müde 40 Stunden arbeiten müsste. Wenn man sich Teilzeit leisten kann, hebt das die Lebensqualität deutlich, und die Wahrscheinlichkeit, dass ich mit 65 Jahren gesund in die Pension gehe, steigt.“

Zwei Perspektiven, die zeigen: Teilzeit ist nicht gleich Teilzeit. Für manche ist sie die einzige Möglichkeit, überhaupt zu arbeiten, während sich andere freiwillig dafür entscheiden. Was beide eint, ist das Bedürfnis nach Zeit, für sich selbst, die Familie und Erholung.

 

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