ArbeitnehmerInnen finanzieren den Staat
Jetzt müssen sie auch die Krisen-Rechnung bezahlen. Aber: Seit Jahrzehnten wird die Verteilung immer ungerechter.
Insgesamt mehr als 110 Milliarden Euro betrug das Steueraufkommen in Österreich laut Statistik Austria allein im Jahr 2019. Rund 80 Prozent davon zahlen die ArbeitnehmerInnen im Alleingang – im Vorjahr nach aktuellen Daten also die beeindruckende Summe von fast 90 Milliarden Euro. Dazu zählen indirekte Steuern wie etwa die Umsatzsteuer ebenso, wie direkte wie vor allem die Lohnsteuer. Damit bleiben nur 20 Prozent für Unternehmen, Stiftungen und ähnliche Organisationsformen, die über Kapital – und häufig viel davon – verfügen. Einfacher gesagt: 4 von 5 Steuer-Euros stammen von ArbeitnehmerInnen und deren Ausgaben.
4 von 5 Steuer-Euros stammen von ArbeitnehmerInnen und deren Ausgaben
Die wahren LeistungsträgerInnen im Land
Die ArbeitnehmerInnen finanzieren also den Staat, obwohl der Anteil der Löhne am Bruttoinlandsprodukt seit Jahrzehnten sinkt, während der Anteil der Gewinne seit Jahrzehnten steigt. Oder anders gesagt: Die Vermögen wachsen, die Einkommen nicht. Ganz im Gegenteil.
„Der Arbeitsmarkt verändert sich. Immer häufiger kämpfen Menschen mit fragwürdigen Arbeitsverträgen, sind schlecht bezahlt und schlecht abgesichert. Trotzdem schultern sie zu einem immer größeren Anteil die Steuerlast, während die Unternehmen im Verhältnis immer weniger zahlen”, kritisiert ÖGB-Volkswirt Ernst Tüchler – und erinnert: „Die Unternehmen hatten 2019 rund zwei Milliarden eintreibbare Steuerschulden.”
„Die Unternehmen hatten 2019 rund zwei Milliarden eintreibbare Steuerschulden.” Ernst Tüchler, ÖGB-Volkswirt
In konkreten Zahlen: 29,6 Milliarden Lohnsteuer stehen 10,99 Milliarden an Steuern auf Einkommen und Gewinne von Kapitalgesellschaften gegenüber. Die Kapitalertragssteuer der Unternehmen hat von 2018 auf 2019 sogar um 2,7 Prozent abgenommen. Insgesamt betragen die Staatseinnahmen im Vorjahr 195,1 Milliarden Euro; 120 Milliarden bzw. 61 Prozent davon hängen direkt mit einem Arbeitsvertrag zusammen.
Ungerechtigkeit nimmt konstant zu
Das Problem: Seit Jahrzehnten verschiebt sich dieses Verhältnis rasant und deutlich zu Ungunsten der arbeitenden Menschen. Während ArbeitnehmerInnen in einem progressiven System einen immer größeren Anteil des Staatshaushaltes finanzieren, wird am anderen Ende der Wirtschaftswelt de facto per Flat Tax langsam aber stetig gekürzt. Während Arbeitsplätze hinter kreativen Namen versteckt vernichtet werden, dürfen die Profiteure dieser Maßnahmen dank legaler Kürzungen und bestenfalls fragwürdiger Steuertricks immer mehr von ihren Gewinnen behalten.
Flat Tax vs. Steuerprogression
Als Flat Tax wird eine Einheitssteuer bezeichnet, bei der es ohne Grundfreibetrag keine Steuerprogression gibt. Der Grenzsteuersatz bleibt also immer gleich. In Österreich gilt das etwa für die Kapitalertragssteuer.
Steuerprogression bedeutet hingegen, dass der Steuersatz mit steigendem Einkommen oder Vermögen höher wird. In Österreich gilt das etwa für Löhne und Gehälter der ArbeitnehmerInnen.
Eine Studie der Wiener Wirtschaftsuniversität kam im Jahr 2016 sogar zu dem Ergebnis, dass für das reichste Prozent der heimischen Haushalte eine sinkende Abgabenquote beobachtet werden kann.
Für den ÖGB ist Gerechtigkeit ein zentrales Thema – auch beim Thema Steuern:
Produktivität und Unternehmensgewinne steigen laufend. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt – Wohlstand, den sich die ArbeitnehmerInnen selbst erarbeitet haben. Die Frage ist aber: Wem gehört dieser Reichtum?
Aus dem ÖGB-Grundsatzprogramm 2018-2023
Österreich im internationalen Vergleich schlecht
Das schlägt sich auch im internationalen Vergleich nieder: Bei der Höhe der Steuern auf Vermögen zählt Österreich zu den Schlusslichtern, eine Erbschaftssteuer gibt es gar nicht und der Anteil der indirekten Steuern (die von ArbeitnehmerInnen bezahlt wird) ist höher als in anderen EU-Staaten. Mehr als bedenklich ist auch: Der Anteil der ArbeitnehmerInnen am gesamten Steueraufkommen steigt, obwohl zeitgleich die Lohnquote, also der Anteil der Einkommen am Bruttoinlandsprodukt, seit Jahrzehnten sinkt. 1977 hatten die Löhne und Gehälter noch einen Anteil von rund 74 Prozent, bis 2019 ist dieser Wert auf rund 68 Prozent gesunken. Laut Arbeiterkammer wäre die Bruttosumme von Löhnen und Gehältern heute um rund 17 Milliarden höher, wenn die Lohnquote auf ihrem Niveau von damals geblieben wäre.
ArbeitnehmerInnen zahlen für die Krise
Wenn dann eine Krise wie die Corona-Pandemie zuschlägt, müssen trotzdem die ArbeitnehmerInnen mit Milliardenhilfen für die Unternehmen einspringen. Sie selbst sind also die Leistungsträger unseres Steuersystems, die am Ende auch die Rechnung für die Allgemeinheit begleichen – und bekommen dafür im Gegenzug praktisch keine Anerkennung. Weder den Corona-Tausender, noch eine Arbeitszeitverkürzung oder die dringend nötige Erhöhung des Arbeitslosengeldes, das sie zuvor zum überwiegenden Teil ebenfalls selbst finanziert haben, wird ihnen zugestanden – übrigens alles Forderungen des ÖGB, die von der Regierung entweder beharrlich ignoriert oder vollmundig versprochen werden, obwohl man offensichtlich keine Absicht hat, sie umzusetzen.
Im ÖGB-Grundsatzprogramm ist klar verankert, was für Österreich und seine Zukunft nötig ist:
Was fehlt, ist eine gerechte Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Reichtums. Damit der Wohlfahrtsstaat und seine Leistungen für alle Menschen in Österreich gesichert werden können, braucht es gerechte Besteuerung von Erbschaften und Vermögen, effektive Maßnahmen gegen Steuervermeidung und Steuerbetrug sowie eine breitere Grundlage für die Berechnung von Steuern und Abgeben.
ÖGB-Grundsatzprogramm 2018-2023
Gewerkschaft kämpft für die Menschen
Eine starke Gewerkschaft ist der Garant für den fortlaufenden Einsatz für mehr Gerechtigkeit. Eine Mitgliedschaft ist der beste Weg, diesen Kampf auch in Zukunft zu unterstützen.
Hörtipp:
Warum kein Weg an einer dauerhaften Erhöhung des Arbeitslosengeldes vorbeiführt, war auch Thema in unserem ÖGB-Podcast "Nachgehört / Vorgedacht". Anna Daimler, Generalsekretärin der Gewerkschaft vida, erklärt unter anderem, warum die Einmalzahlung von 450 Euro für arbeitssuchende Menschen "Almosen und eine Frechheit" waren und wieso die Wirtschaft nichts von diesem Geld hat.